Full text: Deutsche Geschichte bis zum Ausgang des Mittelalters (Teil 1)

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II. Darbietung. 
A. Der neue Stoff. 
L. Das Fausirecht. Die Ritter waren von Jugend auf an das 
Waffenhandwerk gewöhnt. Es war ihnen unbehaglich, in Friedenszeiten still 
daheim auf ihrer Burg zu sitzen. Sie saßen lieber im Sattel und schwangen 
Speer und Schwert. Deshalb zogen sie gern auf die Jagd und zum Turnier. 
Diese beiden Vergnügungen sollten ihnen das rauhe Kriegshandwerk ersetzen. 
Aber die Streitlust mancher Ritter begnügte sich damit nicht. Während 
der Kaiser fern in Italien weilte, brachen in Deutschland zwischen einzelnen 
Landesfürsten, oft sogar zwischen einzelnen Rittern Kämpfe im kleinen, Fehden 
genannt, aus. Bald wuchs die Lust an solchen Fehden, und sie wurden immer 
zahlreicher. Zwar hatte der Rittet bei der Schwertleite gelobt, ungerechte 
Kriege zu vermeiden und dem römischen Kaiser in allen weltlichen Dingen 
ehrfurchtsvoll zu gehorchen, aber es war niemand da, die Übertretung dieses 
Gelübdes zu strafen; denn der Kaiser kämpfte in Italien mit den Päpsten und 
Lombarden (besonders Friedrich II.), und kam er ja einmal auf kurze Zeit 
nach Deutschland, so hatte er nicht die nötige Zeit, alle Friedensstörer zu züch¬ 
tigen. Weil also die oberste Gewalt im Reiche fehlte, darum nahm die Fehde- 
lust immer zu. 
Mit der zunehmenden Fehdelust aber wurden auch die Sitten roher. Ein 
Ritter, der immer im Sattel saß und sich mit Feinden herumschlug, fand keinen 
Gefallen mehr an dem friedlichen Leben auf der Burg, und hatte er keine 
Feinde, mit denen er kämpfen konnte, so suchte er sich solche zu verschaffen, 
und waren es keine Ritter, gegen die er zu Felde ziehen konnte, so überfiel 
er wehrlose Bürger und Bauern. Daher kam es, daß viele Ritter die Würde 
ihres Standes so weit vergaßen, daß sie fast nur von Streit und Fehde, von 
Raub und Plünderung lebten, und daß sie da ernteten, wo sie nicht gesäet 
hatten. In den beständigen Fehden untereinander, noch mehr aber mit den 
reichen Städten, gewöhnten sie sich an ein wildes Räuberleben. Es war auch 
leichter und einträglicher, von dem Gute fremder Leute zu leben, als selbst 
durch Fleiß etwas zu erwerben. Daher suchten sie mutwillig Streit mit den 
benachbarten Städten, um wenigstens einen Vorwand zu ihren Räubereien zu 
haben. Endlich aber kümmerten sie sich nicht einmal um einen Vorwand. 
Anstatt den Witwen und Waisen, den Unschuldigen und Bedrängten beizustehen, 
wie sie gelobt, überfielen sie von ihren Raubburgen aus jeden Vorüber¬ 
ziehenden und plünderten ihn aus, gleichviel, ob er Ritter, Bürger oder 
Bauer war. 
Am schlimmsten erging es den Kaufleuten, welche ihre Waren damals auf 
hochbepackten Wagen und schlechten Landstraßen mühsam ans den großen 
Kornrumpf, Handbuch k. I. 18
	        
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