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mit Wurfgeschossen (Wurfspeeren und Pfeilen), deren Spitzen künstlich mit
scharfen Knochen besetzt waren; im Handgemenge gebrauchten sie das Schwert.
Dabei suchten sie dem Feind, während er auf Hiebe achtete und diesen aus¬
weichen wollte, plötzlich Schlingen überzuwerfen und ihn so wehrlos zu
machen. Sie kannten weder Religion, noch Gesetze und waren grausam
und raubgierig. Raubend, sengend und mordend zogen sie von Land zu
Land und trieben die Völker vor sich her, „wie wann der Wolf die Herde
scheucht."
4. Die erste Wanderung der Hunnen. — Wie ein Strom wälzte
sich das wilde, kriegerische Volk der Hunnen, von ihren östlichen Rcichbcmt
(den Chinesen) gedrängt, mit Weib und Kind, mit seinen Herden und all
seiner Habe von Asien her nach Europa. Auf ihrer Wanderung stießen die
Hunnen die Goten,5 welche sich in Ost- und Westgoten teilten. Sie unter¬
warfen die Ostgoten, die Westgoten dagegen wurden von den Römern in ihr
Land ausgenommen.
B. 1 Die Alemannen wohnten zwischen der Donau und dem Main, später auch
am Oberrhein und Neckar-.- Sie waren sehr kriegerisch, wild und tapfer und machten den
Römern viel zu schaffen. — Die Frauken waren am Niederrhein bis nach ben Nieber-
lanben und an die Nordsee hin seßhaft. Sie durchstreiften bald mehrere römische Läuber,
besonders Gallien, von einem Ende bis zum anbetn, so oft sie bie Lust nach Raub uud
Beute trieb. Sie sind sogar über die Pyrenäen in Spanien eingefallen. — Die Sachsen
hatten ihre Wohnsitze südlich von den Dänen, von welchen sie durch die Eiber getrennt
wurden, in Niedersachfen und dem größten Teil Westfalens. Sie hatten die Ufer der Elbe,
Weser, Aller, Leine, Ems, Lippe und Ruhr besetzt. — Die Ostgoten wohnten in den Steppen
Südrußlands, die Westgoten südlich und östlich von den Karpaten bis zum Dujepr.
2 Theodosius, der letzte kraftvolle römische Kaiser, teilte (im Jahre 395) sein ge¬
waltiges Reich unter seine beiden Söhne. Der eine (Arkadius) erhielt den morgenländischen
Teil (das oströmische Kaiserreich mit der Hauptstadt Konstantinopel), der andere (Houorius)
den abendländischen (das weströmische Reich mit der Hauptstadt Rom). Ersteres bestaub
noch über tausend, letzteres nicht einmal mehr hundert Jahre.
3 Wie durch ein Erbbeben eine ganze Stabt in einen Schutthaufen verwanbelt
wirb, so wurden durch diese massenweise Wanderung der Völker die Staatenverhältnisse
Europas gänzlich verändert; die alten Reiche würben umgestürzt, und neue entstanden auf
beren Trümmern, fast ganz Europa nahm eine anbete Gestalt an.
4 Die Heimat ber Hunnen ist in Nordasien, in den ungeheuern, grasreichen, aber
wasser- und baumarmen Steppen zwischen Rußland und China zu suchen. Die Be¬
herrscher Chinas suchten vergeblich den Einfällen und verheerenden Raubzügen dieser
furchtbaren Feinde zu begegnen, teils durch Aufführung einer längs der Nordgrenze Chinas
sich hinziehenden gewaltigen Mauer, teils durch Bewilligung von Abgaben und Geschenken,
indem sie den Häuptern der Hunnen Geld und Seidenstoffe lieferten. Im ersten und
zweiten Jahrhundert der christlichen Zeitrechnung gelang es der chinesischen Herrscher¬
familie, das schmähliche Joch der Hunnen abzuschütteln, deren Reich infolge innerer Zer¬
würfnisse sich immer mehr auflöste. Während einzelne Horden (= Haufen ungesitteter,
räuberischer Leute), von den Chinesen bewogen, zu einem friedlichen Leben übergingen,
regte sich in den kräftigeren Stämmen die Wanderlust. Sie zogen weiter mit ihren Herden
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