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den Trümmern der Armee Hohenlohes zusammentraf, sich ebenfalls
in wilde Flucht auf. Nun war kein Halten mehr. Jeder gedachte
nur der eigenen Rettung. Ungestüm drängten die Sieger nach; bald
hielten sie ihren Einzng in Berlin. Hohenlohe gab sich mit dem
Reste seines Heeres bei Prenzlan gefangen. Die Befehlshaber der
Festungen vergaßen, daß sie Preußen waren. Ohne erst Widerstand
zu versuchen, öffneten sie kopflos dem Sieger die Thore. So ergaben
sich Erfurt, Spandau, Stettin, Küstrin, Magdeburg. Nur Graudenz,
wo der tapfere Courbiere befehligte, und Kolberg, wo der brave Bürger
Nettelbeck dem einsichtsvollen General Gneisenau zur Seite stand,
ergaben sich nicht. Nachdem der König mit seiner Familie Berlin
verlassen hatte, begab er sich nach Königsberg. Die noch kampf¬
fähigen Truppen zogen sich über die Weichsel zurück, um im
Verein mit den Russen den Kampf wieder aufzunehmen. Beide
leisteten auch dem französischen Kaiser bei Eilau so erfolgreichen
Widerstand, daß er sich zum ersten Male den Sieg nicht zuschreiben 1807.
konnte. Aber bei Preußisch-Friedland erlagen sie trotz ihrer Tapfer¬
keit der Kriegskunst Napoleons. Bald hielt dieser seinen Einzug
in Königsberg. Friedrich Wilhelm floh nach Memel; sein Reich war
verloren. Denn Napoleon hatte durch Schmeicheleien den Kaiser
Alexander gewonnen, daß er sich von seinem Bundesgenossen trennte.
So mußte Friedrich Wilhelm mit blutendem Herzen den Frieden zu I807,
Tilsit unterzeichnen, welchen der unerbittliche Sieger vorschrieb. Er trat
alles Land ab, welches westlich von der Elbe lag, außerdem die ehemals
polnischen Lande mit Ausnahme von Westpreußen, also die Hälfte
seines Reiches. Dazu legte man ihm Kriegskosten in solcher Höhe
auf, daß dem so verkleinerten Lande das Mark ausgezogen wurde.
An 180000 Franzosen, deren Befehlshaber durch Übermut und
Willkür das Volk zur Verzweiflung brachten, blieben in demselben
stehen. Der König durfte nur ein Heer von 420,00 Mann halten.
So war das stolze Preußen zusammengefallen, wie ein morsches Haus
vor dem Sturme. Das geschah, weil die Menschen sich der Trägheit,
der Gleichgültigkeit, dem Übermute und dem Wohlleben überlassen
und vergessen hatten, das Wohl des Ganzen über das eigene zu setzen.V
Napoleon auf der Höhe seiner Macht. Napoleon gebot jetzt
über einen großen Teil Europas mit unbeschränkter Macht. Den
Kurfürsten von Sachsen hatte er gezwungen, fein Bundesgenosse zu