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worden und hatten teils fluchten, teils als Ketzer den Scheiterhaufen
besteigen müssen. Als dann aber Luther im Vertrauen auf Gott
den Kampf gegen den Papst und die ganze katholische Kirche auf-
nahm und glaubensmutig auf dem Reichstage vor Kaiser und Reich
erklärte: „Hier stehe ich, ich kann nicht anders, Gott helfe mir!"
öffneten sich auch für unser Vaterland die Thore der wahren christ-
lichen Lehre. Zunächst war es die Stadt Rostock, in deren Mauern
die reine Predigt von Christo verkündigt wurde.
Joachim Stüter, eines Fährmanns Sohn aus Dömitz, be-
suchte als Knabe die lateinische Schule seiner Vaterstadt und' ging
dann nach Rostock, um Theologie zu studieren. Es war die Zeit,
da der Ruf von Luthers gewaltigen Predigten und von Melanchthous
großer Gelehrsamkeit sich durch ganz Deutschland verbreitete. An-
gezogen von diesen Männern wandte sich Stüter nach Wittenberg
und kehrte, als er sein Studium beendet hatte, als ein treuer An-
Hänger der Reformation zurück. Herzog Heinrich, ein Freund des
Evangeliums, hörte_ von ihm und setzte ihn als Pastor an der Petri-
Kirche zu Rostock ein. Nun fing Slüter an, einfach und schlicht die
wahre Lehre zu verkündigen. Und Gott segnete sein Wort Das
Gewissen vieler erwachte, und Tausende von Zuhörern strömten der
begeisterten Predigt des jungen Pastors zu, so daß die Kirche die
Menge nicht zu fassen vermochte. So oft es daher das Wetter ge¬
stattete, schlug Stüter seine Kanzel im Freien unter einer Linde des
Kirchhofes ans. Aber die Zeiht der Zuhörer mehrte sich von Tag zu
Tag. Nicht nur die Mauer und Bäume des Kirchhofes, sondern
auch die Dächer der nächsten Häuser waren mit Menschen dicht besetzt.
Selbst weit aus der Umgegend strömten sie herbei, und um auch die
Predigt am Nachmittage hören zu können, brachten sie sich Lebens-
mittel für den ganzen Tag mit. Aber die Papisten, die Anhänger
der katholifchen Lehre, zu denen außer den Priestern und Professoren
auch der ganze Rat gehörte, haßten Stüter. Dieser Haß wuchs, je
mehr ihr Anhang sich verkleinerte. Stüter durfte es endlich nicht
mehr wagen, im Dunkeln auf der Straße zu gehen. Des Nachts
war er sich des Lebens im eigenen Hause nickt mehr sicher. Er
verblieb deshalb bei gottessürchtigen Leuten oder aus freiem Felde.
Da nahm sich Herzog Heinrich des treuen Zeugen an, und es schienen
dadurch die Verfolgungen ihr Ende erreicht zu haben. Aber als die
Papisten sahen, daß sie mit Gewalt nichts ausrichteten, nahmen sie
zur List ihre Zuflucht. Stüter war einmal bei frommen Leuten zum
Gastmahle geladen. Da ließen ihm seine Feinde durch einen Buch-
binder, der ebenfalls geladen war, und dem sie eine Summe Geldes
gaben, eine Kanne mit vergiftetem Wein reichen. Von Stund an
fing Slüter an zu kränkeln. Nach einem vierteljährigen Siechtum ging
er am 19. Mai 1532 ein zu seines Herrn Freude.
2. Mecklenburg ein lutherisches Land. 1549. — Wenn
aber die Papisten meinten, mit dem Tode Stüters wieder die Ober-