Full text: Erzählungen aus der deutschen und mecklenburgischen Geschichte

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barmungslos niedergemetzelt. Ja selbst noch an den gefallenen Helden 
ließen sie ihre Wut aus. Von der kleinen schwedischen Besatzung 
blieben nur etwa 50 Mann übrig. Drei Stunden dauerte das 
Plündern, Rauben und Morden. Da endlich wurden die Kaiserlichen 
in ihrem grausamen Werk gehindert. Eine Feuersbrunst brach aus 
und rettete die Stadt vor gänzlichem Untergang. Viele Jahre wurde 
dieser Tag der Zerstörung als ein Bußtag gefeiert, und noch lange 
erinnerte man sich mit Grausen an diese „Tilly Tieden". 
3. Die Verwüstung des Landes. — In ähnlicher Weise 
wie Neubrandenburg erging es den übrigen Städten und Dörfern 
unseres Vaterlandes. Solange Gustav Adolf lebte, wurde treffliche 
s Zucht und Ordnung unter den Soldaten aufrecht erhalten. Nachdem 
er aber den Heldentod erlitten und Mecklenburg sein Bündnis mit 
den Schweden aufgehoben hatte, lösten sich alle Bande der Ordnung./^.- : 5 
Die Jahre 1637 und 1638 waren wirkliche Schreckensjahre für 
Mecklenburg. Die Schweden und Kaiserlichen wüteten gleich schreck- 
lich. Man kämpfte nicht mehr gegen feindliche Heere, sondern be¬ 
raubte friedliche Bürger und Bauern. Geld und immer Geld 
suchten die Soldaten zu erpressen. Alle erdenklichen Martern und 
Foltern wurden angewandt. Am bekanntesten hiervon sind der so- 
genannte „Schwedentrank" und „Schwedenstrick". Erstem' bestand 
darin, daß man die armen Opfer auf die Erde warf, ihnen mit Ge- 
walt den Mund öffnete und Jauche hineingoß. Dann traten die 
entmenschten Soldaten mit solcher Gewalt auf die Brust des Ge- 
sesselteu, daß die Jauche wieder zum Munde herausspritzte. Der 
„Schwedenstrick" war ein knotiges Seil. Es wurde den Gefangenen 
um den Kopf gelegt und so lange geschnürt und geknebelt, daß sich 
die Knoten tief in das Haupt eindrückten und die Augen aus dem- 
selben hervorquollen. Wer will es daher den armen Bewohnern 
unseres Vaterlandes verdenken, daß sie lieber alles hingaben, ja lieber 
den Tod durchs Schwert wünschten, als unter solchen Martern und 
Foltern zu leiden? Wer noch konnte, floh mit der wenigen Habe 
in ferne Länder, sobald rohe Kriegshaufen anrückten. Die Zurück- 
gebliebenen wurden teils schrecklich gequält, teils erschlagen und ihnen 
alles geraubt. So kam es, daß Mecklenburg säst ganz entvölkert und 
dem Rande des Verderbens nahe gebracht wurde. Da es an Menschen, 
Korn und Vieh fehlte, konnte der Acker nicht bestellt und keine Aus- 
saat gemacht werden. Eine furchtbare Hungersnot entstand, und 
Hunde und Katzen, Ratten und Mäuse wurden gegessen. Die Stadt 
Sternberg z. B. war so verarmt, daß sie von den sechs Soldaten, die 
der Herzog ihr zum Schutz sandte, vier wieder entlassen mußte, weil 
sie dieselben nicht ernähren konnte. In Zinow, einem Dorfe in 
Mecklenbnrg-Strelitz, mußten die Kirchenglocken verkauft werden, um 
für das Geld zwei Ochsen kaufen zn können, mit denen dann der 
Ansang zur Ackerbestellung wieder gemacht werden konnte. 
4. Die Pest. — Zu diesem allen kam nun noch die Pest, eine
	        
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