Die Friedenszeit. 63
eintraf. Mit 1100 Mann feiner alten Garde hatte er heimlich die Insel Elba
verlassen, war glücklich an Frankreichs Küste gelandet und im Triumphe von
Stadt zu Stadt und endlich in Paris eingezogen. Rasch einigte man sich in
Wien und erklärte Napoleon in die Acht. Die Heere zogen wieder nach Frankreich.
(). (SitDe des Kriegs. Auch jetzt wieder mußte Preußen das meiste tun.
Mit überlegener Macht warf sich Napoleon auf Blücher und schlug ihn bei
Ligny ant 16. Juni. Bald wäre der greife Held in Gefangenschaft geraten;
fein Roß wurde erschossen und begrub ihn unter seiner Last; mit Lebensgefahr
rettete ihn sein Adjutant Noftitz. Trotz dieser Niederlage war Blücher am
18. Juni wieder schlagfertig. An diesem Tage griff Napoleon die Engländer
unter Wellington bei Belle Alliance mit größter Heftigkeit an. Wellington
aber hielt stand, weil er auf den verheißenen Beistand Blüchers traute. „Ich
wollte, es würde Nacht, ober Blücher käme!" rief er. Doch ber strömenbe Regen
unb die grundlosen Wege erschwerten den Marsch. Mit hinreißender Innigkeit
sprach Blücher zu den müden Soldaten: „Kinder, wir müssen vorwärts; ich hab's
ja meinem Bruder Wellington versprochen, und ihr wollt doch nicht, daß ich
wortbrüchig werden soll!" „Blüchers Marsch nach Waterloo" von Scherenberg.
Immer heftiger wurden die Angriffe der Franzosen; doch Wellington war ent¬
schlossen, zu siegen oder zu sterben. Da, zur rechten Stunde noch, erschien
Blücher; die preußischen Kanonen donnerten und belebten den Mut der Streiter.
Gegen 7 Uhr stürmte Napoleon mit ber Garbe aus bas englische Centrum los,
um es zu durchbrechen. Doch vergebens; sie wurde überflügelt, umzingelt unb
niebergehauen ober gefangen genommen. Schrecken ergriff die Franzosen; sie
warfen die Waffen weg und flohen mit dem Rufe: „Rette sich, wer kamt!" Die
Preußen vergaßen alle Mühsale und Anstrengungen der letzten Tage und ver¬
folgten die Fliehenden in mondheller Nacht. Mit genauer Not entkam Napoleon
durch einen Sprung aus dem Wagen und ließ feine Kostbarkeiten, Hut, Mantel,
Degen und Orden in den Händen ber Verfolger zurück. — Am 7. Juli zog
Blücher zum zweiten Male in Paris ein, tags barauf Lubwig XVIII. Im
zweiten Pariser Frieben wurde Frankreich auf den Besitzstand von 1790
beschränkt; es mußte 175 Millionen Thaler Kriegskosten zahlen und alle geraub¬
ten Kunstschätze zurückgeben. Napoleon wurde auf die einsame Insel St. Helena
im atlantischen Ocean verbannt, wo er am 5. Mai 1821 starb. — Zur Erhaltung
des europäischen Friedens schlossen die Monarchen von Preußen, Rußland und
Oesterreich die heilige Allianz. An die Stelle des deutschen Reichs trat der
„Deutsche Bunb", besten gemeinsamen Angelegenheiten burch eine B und es-
versammlung zu Frankfurt am Main besorgt würben. Preußen bekam
bie Hälfte bes Königreichs Sachsen, Nenvorpommern mit Rügen unb ben grö߬
ten Theil der heutigen Provinzen Westfalen unb Rheinlanb. — Felbmarfchall
Blücher, ber unter betn Natnett Fürst Blücher von Wahlstadt (das Schlacht¬
feld an der Katzbach) in den Fürstenstand erhoben worden war, starb 1819 in
seinem 77. Lebensjahre. „Ein Wort vom alten Blücher" von Hefekiel.
53. Die Iriedensjahre.
1. Friedrich Wilhelm III , der älteste Sohn Friedrich Wilhelms II., zeigte
schon als Kmd hervorragende Eigenschaften des Herzens und Willens. Als er
ein Knabe von 10 Jahren war, brachte im Januar ein Gärtnerbursche ein Körb¬
chen mit schönen retsen Kirschen, die der Prinz sehr liebte; als er jedoch hörte,
dafj die Kirschen fünf Thaler kosten sollten, wandte er sich kurz um und sagte:
„Ich mag und will sie nicht." Kurz darauf ließ ihn ein Schuhmacher, der
lange kcank gelegen hatte, um eine Unterstützung von 20 Thalern zum Ankauf
von Leder bitten. „Wie viel habe ich noch in meiner Kaffe?" fragte er den
Kammerdiener. „Noch fünfzig Thaler" sagte dieser. „O, dann kann ich noch
hetsen!" rief er freudig und schickte dem Schuhmacher das erbetene Geld. —
Friedrich der Große hatte dem Prinzen einen Ball weggenommen. Der Prinz