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Die Kreuzzüge.
eroberten, hatten die Christen in Jerusalem harte Drangsale und Mi߬
handlungen zu bestehen. Die Türken forderten hohe Abgaben von
den Pilgern, und Tausende lagen vor den Toren in Hunger und
Blöße und konnten die heilige Stadt nicht betreten. Da erschollen in
Europa laute Klagen über die Bedrückung der christlichen Pilger, und-
es entstand der Wunsch, Jerusalem aus den Händen der Türken zu
befreien. Am eifrigsten wirkte der französische Mönch Peter von
Amiens für die Befreiung Jerusalems.
Peter von Amiens. Peter war ein begeisterter Mönch, hatte ein
feuriges Gemüt und erzählte, der Heiland sei ihm selbst erschienen und habe
zu ihm gesprochen: „Eile, Peter, dein Vorhaben auszuführen; denn es ist
Zeit, daß meinem Volke geholfen und die heilige Stadt von den Ungläubigen
befreit werbe." Peter begab sich zuerst nach Rom zum Papste Urban II.,
fchilberte bie Not der Christen unb bat flehentlich um Hülse. Ter Papst
sprach: „Gehe hin, mein Sohn, unb verkünde alles, was bu gesehen unb
gehört hast, von Dorf zu Dorf, von Stadt zu Stabt, baß bie kalten Herzen
entzündet werden. Alles andere überlaß meiner Sorgfalt." Peter machte
sich aus; aus einem Esel rettend, mit einem Strick umgürtet, barfuß unb
barhaupt, ein Kruzifix in ber Hand, so burchzog er Italien unb Frankreich
unb rebete zum Volke, bas sich überall um ihn sammelte. Er predigte in den
Kirchen, aus den Straßen, aus Kreuzwegen und erzählte von den Greueln,
die in Jerusalem an den Christen verübt würden. Dabei funkelten seine
dunkeln Augen, unb seine Begeisterung zünbete in ben Herzen der anbächtig
lauschenden Menge. Balb verehrte man ihn wie einen Heiligen und schätzte
sich schon glücklich, wenn man nur sein Gewanb berühren konnte.
3. Die Kirchenversaimnlimg zu Clermont. 1095. Um die gesamte
Christenheit zum Kampfe zu rufen, hielt Papst Urban II. im Jahre
1095 eine große Kirchenversammlung zu Clermont in Frankreich. Mehr
als 200 Erzbischöfe und Bischöfe, Hunderte von Äbten und Geistlichen,
Tausende von Rittern und Herren, sowie unzählbare Mengen Volks aller
Stände waren zugegen, so daß die Versammlung im Freien stattsinden
mußte. Zuerst trat Peter auf und redete in begeisterten Worten.
Tränen leuchteten in aller Augen. Dann erhob sich der Papst und
sprach: „Ich will sie nicht trocknen, eure Tränen. Aber wehe uns,
wenn wir nichts als diese Tränen hätten! Wehe uns. wenn wir noch
länger das Erbe des Herrn in den Händen der Ruchlosen ließen! Von
Jerusalem ging das Wort des Herrn ans. Aus denn, wider den Feind
des christlichen Namens! Ziehet hin! Dort büße jeder seine hier be¬
gangenen Frevel. Als Sieger werdet ihr heimkehren oder die Märtyrer¬
krone erringen." Da ertönte aus allen Kehlen der laute Ruf: „Gott
will es! Gott will es!" Alsbald knieten mehrere Bischöfe vor dem
päpstlichen Throne nieder und baten um die Erlaubnis, mitziehen zu
dürfen. Der Papst selbst heftete ihnen ein Kreuz von rotem Zeuge
auf die rechte Schulter. Dann kamen Tausende, die wollten ebenfalls
in die Zahl der heiligen Streiter aufgenommen sein. Zum Zeichen
dafür hefteten auch sie sich ein rotes Kreuz an die Schulter. Davon
hießen sie Kreuzfahrer und der ganze Zug zum heiligen Lande wurde
als Kreuzzug bezeichnet.