400 Zehnter Abschnitt. Die wichtigsten Ereignisse rc. von 1815—1871.
Am ersten war natürlich der Kronprinz von Sachsen dem Mac Mahon
auf den Fersen, weil die Maas-Armee infolge ihrer ursprünglichen Stellung
dem Feinde ja am nächsten war. Schon am 29. und 30. August waren
Teile dieser Armee mit dem französischen Heere im Kampf, am letztgenannten
Tage bei Beaumont. Mac Mahön wurde durch diese Angriffe gezwungen,
hinter der Marne Sicherheit zu suchen, wohin ihm aber bald darauf die
Preußen schon folgten. Nun nahte auch die 3. Armee heran, die auf dem
linken Ufer der Maas sich hielt und dem Feind den Rückzug nach Paris ver¬
legte, während die 4. Armee sein Vorrücken auf Metz hinderte. Im Rücken
der Franzosen lag die belgische Grenze. So von allen Seiten bedrängt, wagte
Mac Mahon einen letzten Kampf bei der kleinen Festung Sedan an der
Maas. Schon galt es für die Deutschen nicht bloß den Sieg zu gewinnen,
sondern auch den Franzosen die Möglichkeit eines Entkommens nach Westen
oder nach. Belgien abzuschneiden.
c) Die Schlacht bei Sedan und die Kapitulation der französischen Armee.
Im deutschen Hauptquartier war anfangs beabsichtigt, den entscheidenden
Schlag erst am 2. September zu führen, um den Truppen nach den großen
Beschwerden des Marsches einen Ruhetag zu gönnen. Die große Eile, mit
der Mac Mahon zurückging, ließ aber die Furcht aufkommen, daß der Feind
noch in der Nacht einen Fluchtmarsch wagen und ausführen könnte. Darum
wurde vom Könige nach einer Beratung mit dem Kronprinzen und Moltke
schon am 1. September die Entscheidungsschlacht befohlen.
Die Preußen, Bayern, Sachsen, Württemberger u. a. waren so verteilt,
daß die Armee Mac Mahon's fast von allen Seiten eingeschlossen war. An
Punkte, wo dieser Ring noch nicht ganz zusammengefügt war, suchte die deutsche
Heeresleitung so schleimig als möglich Truppen zu bringen. Die Franzosen
bemühten sich erfolglos, an mehreren Stellen durchzubrechen. Sie boten dabei
ihre letzte Kraft auf; es war für sie ein Verzweiflungskampf. Auch Napoleon
befand sich bei der Armee Mac Mahon's. In derselben sah es von Anfang
an trostlos aus, und es herrschte schon beim Beginn des Kampfes die Ver¬
zweiflung. Sie allein gab den Mut, noch so fürchterlichen Widerstand zu
leisten, dessen Erfolglosigkeit die meisten Führer schon einsahen. Als das Feuer
begann, war auch Napoleon auf das Schlachtfeld geeilt. Bleich und nieder¬
geschlagen sah er aus; bei der heillosen Verwirrung, welche in Sedan und
allen umliegenden Orten herrschte, war er mit seiner Begleitung fast unbeachtet
geblieben. Der Kampf wütete in den frühen Stunden des Vormittags bei
dem Dorfe Bazeilles, südlich von Sedan, wo die Bayern kämpften, mit furcht¬
barer Heftigkeit. Zahlreiche Verwundete kamen dem Kaiser entgegen, der
immer bleicher wurde und fortwährend Bitten, Befehle und Mahnungen aus¬
rief — da trägt man ihm einen Verwundeten entgegen, eine Menge Sol¬
daten läuft dem Gefallenen voraus, viele ringen die Hände; der Blutende
ist Mac Mahon, der Marschall, auf den die Armee noch ihr letztes Vertrauen
fetzte, der von den Soldaten verehrt wird als ein mutiger, braver Mann.
Der Kaiser erbebt in diesem Augenblick; dem Heere ist der tüchtigste Führer
entrissen.