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eben die Königin Luise, und die beiden hatten sich so lieb und waren
zugleich so einfache, liebe Menschen, daß unordentliche Leute am Hofe
überhaupt nicht mehr gelitten wurden. Das lag gewiß an dem gutmütigen,
ehrlichen Wesen des Königs, der viel geputzte Menschen und vornehme Ge-
sellschaften garnicht leiden konnte und am liebsten mit seiner Frau und
seinen Kindern ganz allein auf dem Lande lebte. Es lag aber ganz be-
sonders an der wunderschönen Königin. Das war eine so großartige
Frau, von ihr müssen wir uns mal noch im einzelnen was erzählen.
Ihr Vater war ein Herzog von Mecklenburg-Strelitz. Er regierte
das Land nicht selbst, sondern er war nur der jüngere Bruder des re-
gierenden Herzogs. Darum diente er als Offizier beim Kurfürsten von
Hannover, und so wurde die Prinzessin Luise in Hannover geboren.
Ihre Mutter war eine Prinzessin von Hessen-Darmstadt, und als sie
sehr früh starb, heiratete der Herzog deren Schwester, damit doch seine
Kinder eine Mutter hätten. Aber auch diese zweite Mutter starb ganz
bald, und da nahm der Herzog in Hannover seinen Abschied und zog
nach Darmstadt, damit die Kinder dort bei ihrer Großmutter, der guten
Landgräfin von Hessen-Darmstadt, aufwachsen könnten. Da haben denn
die Kinder wunderschöne Jugendtage verlebt, und die Großmutter war
stets freundlich zu ihnen. Am allerliebsten mochten sie es immer, wenn
die Landgräfin mit ihnen nach Schloß Broich bei Mülheim an der Ruhr
reiste. Da war schon das Reisen selber ein Vergnügen. Es ging im
mächtigen, großen Wagen vor sich, wo man auf weichen Kissen saß und
aus breiten Glasfenstern hinaussehen konnte. Acht Pferde waren davor-
gespannt, und was das Putzigste war, zwei Läufer in bunten Anzügen,
mit Kniehosen und Schnallenschuhen und bunten Bändern an ihren Silber-
stocken liefen nebenher oder vorauf, ebenso schnell und noch schneller wie
die Pferde, machten ihre Witze, sprangen und tanzten, warfen ihre Stöcke
in die Luft und fingen sie im Laufe wieder, kurz es war für die Kinder
eine richtige Theatervorstellung.
Da könnt ihr nun sehen, was die Prinzessin Lnise für ein gutes,
freundliches Kind gewesen ist. Ihre liebste Freundin war nämlich ein
ganz einfaches, geringes Mädchen, das war die kleine Tochter eines dieser
Läufer und hatte keine Mutter mehr und hieß Hannchen. Dies kleine
Hannchen mußte immer im Garten oder in den feinsten Stuben mit Luise
und ihrer Schwester spielen, und einmal als sie krank war und das
Scharlachfieber gehabt hatte, da ist die Prinzessin immer zu ihr in das
arme Häuschen von dem Läufer in ihr kleines Stübchen gegangen und
hat sich ans Bett gesetzt und dem kranken kleinen Mädchen schöne Ge-