Full text: Erziehender Geschichtsunterricht

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die Faust hinter den Römern her und rief ihnen einen Fluch nach. Wenn 
aber dann einer von ihnen zurückkam und fragte: „Was sagtest du da? 
Willst du das wohl noch einmal sagen?" dann mußte er schweigen und 
die Wut runterschlucken. Vergaß sich aber mal einer und riß die Axt vom 
Gürtel und schlug so einen Römer nieder, dann hatten ihn sofort die 
andern beim Wickel, und ein paar Tage drauf hing er am Galgen, wenn 
er nicht durch die Schnelligkeit seiner Füße sich in den Wald gerettet 
hatte und da in den Klüften und Höhlen lebte wie ein gehetztes Wild, 
während die Römer sein Gut einzogen und seine Frau und Kinder in die 
Sklaverei verkauften. Und das Allerschimpflichste kam noch: die Römer 
fingen endlich gar an zu verlangen, die Deutschen sollten lateinisch lernen 
und lateinisch sprechen. Wenn dann einer vor ihrem Gericht angeklagt war 
und verteidigte sich und sprach deutsch, dann standen da wieder die Richter 
hinter den verhaßten dicken Gesetzbüchern, wie die Deutschen sie garnicht 
kannten, — denn die hatten das Recht und Gesetz im Kopf, und lesen und 
schreiben konnten die allerwenigsten unter ihnen, — und der Richter tat, 
als verstände er kein Deutsch, verstand es auch vielleicht wirklich nicht, und 
der Deutsche mußte sehen, ob irgend ein guter Freund oder vielleicht gar 
ein bezahlter Rechtsanwalt für ihn lateinisch sprechen konnte. Dann 
kauderwelschten die da miteinander, und er stand dabei und konnte nicht 
einmal verstehen, was sie sprachen, und plötzlich war er verurteilt, er wußte 
nicht, wie ihm geschah. Da sahen die Deutschen, daß die als Brüder zu- 
sammengehören, die eine und dieselbe Sprache sprechen, und daß die Mutter- 
spräche es ist, was das Volk zusammenbindet, und daß es schrecklich ist, 
wenn man durch Gesetz oder Macht zu einem Staat geschlagen ist, in dem 
eine andere Sprache gesprochen wird, als die Muttersprache ist. Und sie 
spürten es wohl, daß die andern deutschen Stämme, die Chatten oder die 
Thüringer oder die Sachsen, wenn sie auch von anderem Stamm waren, 
doch mit ihnen eine und dieselbe Sprache redeten und als Brüder ein Volk 
bildeten. Und sie hätten es wohl merken müssen, daß die, die als Brüder 
zu einem Volk gehören, sich auch zu einem Staat zusammenbinden müssen, 
damit sie Einen Herrn und Ein Gesetz und Einerlei Gericht haben, wie wir 
jetzt endlich in uuserm Deutschen Reich. Aber sie waren das nun einmal 
nicht gewohnt und hatten immer als lauter Haufen getrennt für sich gelebt 
und waren noch zu stumpf und zu dumm, um zu merken, was ihnen fehlte. 
Da trat nun ein Held unter ihnen auf, der sah es endlich ein, daß 
sie sich einmal zusammentun müßten und das Fremdenjoch abschütteln 
müßten und der Römerzeit ein Ende machen. Das war Hermann der 
Cherusker, der Befreier Deutschlands.
	        
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