Full text: Erziehender Geschichtsunterricht

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Rechnen", sagte er. „Ich will die Aufgaben mal selbst stellen." Da 
standen die Jungens alle vor dem König und guckten ihm ins Gesicht, 
wie wenn sie Soldaten wären und er wollte gleich loskommandieren. 
Der König sagte: „Jemand verdient 365 Tage lang jeden Tag vier Taler, 
wieviel macht das im Jahr? — Durch welche Rechnung wollt ihr das 
finden?" „Durch die Multiplikation", sagte einer. „Richtig. Na dann 
rechnet mal aus, und wenn ihr fertig seid, zieht noch 240 Taler ab. 
Nun los." Da hatte denn der Lehrer Wenderoth doch Angst, es würde 
schief gehen, denn er meinte, die Jungens wären etwas bange vor dem 
König. Das waren sie auch ein bißchen, und sie rechneten viel länger 
an der Aufgabe, als sie sonst getan hätten. Da rief eine helle Stimme: 
„Ich hab's rans." Das war der kleine Jochen Müller, der hielt seine 
Tafel hoch. „Na, rechne vor", sagte der König. „4x365 ist 1460", 
sagte der kleine Jochen, „davon ab 240, bleibt 1220." Da rief der 
König: „Bravo! Und wenn sich nun zwei Leute in die Summe teilen, 
wieviel kriegt jeder?" Kurze Pause. „610", sagte Jocheu. Da lobte 
ihn der König und strich ihm den Kopf und sagte, er wäre ein kluger 
Junge. „Ja", sagte der Lehrer, „recht fleißig ist er." „Glaube ich", 
sagte der König. „Was sind denn seine Eltern?" „Arme Tagelöhner", 
sagte der Lehrer. „Na", sagte der König, „nach denen wollen wir uns 
mal umsehen. Hier hast du zwei Goldstücke, Jochen, und immer fleißig 
rechnen". Da freute sich Jochen und die andern Jungens alle mit, daß 
der König so gnädig war. Und als der König noch mit dem Lehrer 
und dem Pastor und dem Ortsvorsteher etwas gesprochen hatte, stieg 
er in seinen Wagen, und die Leute standen alle herum und zogen die 
Mützen ab. 
So sorgte der König treu für sein Land. Er zahlte die Schulden 
ab und sammelte einen Schatz, sorgte für ehrliche und fleißige Beamten, 
schuf ein tüchtiges Heer mit Mannszucht und treuen gebildeten Offizieren, 
füllte sein leeres Land mit fleißigen Menschen und sorgte dafür, daß sie 
was lernten und sich im Leben helfen konnten. Wenn er da auch manch- 
mal rauh und heftig war und mit dem Krückstocke dreinschlng, so kann 
man das schon vergessen und ihm doch dankbar sein. Denn wir hätten 
jetzt kein so großes starkes Vaterland, kein so herrliches Heer und keine 
so fleißigen Beamten, die das Land gut regieren, wenn Friedrich Wil- 
Helm I. nicht gewesen wäre. 
Zuletzt wurde er recht krank und mußte sich sehr quälen. Aber weil 
er fromm war, wollte er alles ertragen, was der liebe Gott ihm schickte. 
Er ist dann im Jahre 1740 gestorben. 
Kabisch, Geschichtsunterricht. 6
	        
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