Full text: Geschichte des deutschen Volkes

416 Preußens Bestrebungen einer Neugestaltung des deutschen Bundes unter Friedr.Wilh. I V. 
geben wurden. Das Londoner Protokoll vom Jahre 1852 tilgte dann mit 
einem Federzuge das hundertjährige Recht der Herzogtümer, indem es sie 
einer neu festgestellten Erbfolgeordnung unterwarf, durch welche die dänische 
Monarchie ungetheilt von der Elbe bis zur äußersten Nordspitze nach dem Tode 
Friedrich VII. aus den Prinzen Christian von Glücksburg übergehen sollte. 
Den braven Schleswig-Holsteinern blieb seitdem nichts als männliches Dulden 
gegen tausend rachsüchtige Bedrückungen des kleinlichen Feindes, dem sie wieder 
preisgegeben waren; den deutschen Patrioten aber blieb das brennende Gefühl 
einer neuen Schande, die auf den deutschen Namen geladen war. 
4. Preußens Bestrebungen eitler Neugestaltung des deutschen 
Bundes unter Friedrich Wilhelm IV. 
§ 715. Friedrich Wilhelm IV. hatte seine Pläne auf Umgestaltung 
des deutschen Bundes auch mitten in den Stürmen der Revolution festgehalten. 
Noch vor dem blutigen Ausbruche derselben in Berlin (18. März 1848) hatte 
er erklärt: „Deutschland müsse aus einem Staatenbunde in einen Bundesstaat 
verwandelt werden/' Am 21. März verkündete er: „der König von Preußen 
habe sich an die Spitze des Gesammtvaterlandes gestellt." Die deutsche National¬ 
versammlung kam, nach langem Kampf in ihrer Mitte gegen die Anhänger der 
Republik, Oestreichs, der Einzelmächte (Partikularisten), und der einseitig katho¬ 
lischen Interessen (Ultramontanen) doch auch aus diesen Gedanken zurück und 
bot Friedrich Wilhelm IV. freilich zugleich mit einer sehr demokratischen Reichs¬ 
verfassung die Kaiserkrone an. Der König lehnte sie ab, weil sie ihm nicht zu¬ 
gleich auch von der Gesammtheit der deutschen Fürsten angetragen war; er hatte 
stets gehofft, unter der freien Beistimmung derselben den neuen Bund zu be¬ 
gründen. Als im Frühlinge 1849 die preußischen Truppen Sachsen aus dem 
Brande des Aufruhrs gerissen, und ganz Norddeutschland vor Revolution ge¬ 
schützt hatten, ward vorläufig mit Sachsen und Hannover ein Bund unter 
Preußens Leitung geschlossen (der sog. Dreikönigsbund), welcher den Kern 
zu einem engeren deutschen Bundesstaate mit Ausschluß Oestreichs bilden sollte. 
Aber dieser Bund, von Fürsteu eingegangen, die der Einheit zu Gefallen einen 
Theil ihrer so hochgehaltenen Souveränetät opfern sollten, war kein rechter Ernst. 
Und bald fand das Widerstreben gegen Preußens Führung einen Rückhalt in 
dem wiedererstarkten Oestreich, welches, seit hier die Revolution beseitigt worden 
war, von dem klugen und verwegenen Schwarzenberg geleitet wurde. So 
zogen sich die Mittelstaaten bei der nun günstiger werdenden Lage von Preußen 
zurück. Dieses blieb aber auch jetzt noch in dem Bestreben, eine festere Reichs¬ 
einheit, eine Union, wenngleich nur mit den kleineren Staaten, herzustellen, und 
berief unter Radowitz' Leitung im März 1850 ein Reichsparlament nach Er¬ 
furt, von dem eine neue Reichsverfassung angenommen wurde. Von 
Oestreich aber wurden die süddeutschen Regierungen aufgefordert, den Bundes¬ 
tag wiederherzustellen. Es begann eine Spaltung, indem ein Teil der deutschen 
Fürsten, das sogenannte Fürstencollegium, sich an Preußen, ein anderer 
Theil aber, besonders die Könige von Baiern und Württemberg, und auch 
das von Preußen abtrünnige Hannover und Sachsen an Oestreich schlossen. 
Hier war, seit der Besiegung der Revolution, das Selbstgefühl dermaßen erstarkt, 
daß man daran dachte, mit den gesammten Ländern Oestreichs in den deutschen 
Bund zu treten; wodurch dann Deutschland für ewig an das unsichere Be-
	        
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