Karl VI. 1711—1740. Friedrich Wilhelm I. 1713—1640. 163
Rügen. Schweden, das sich im folgenden Jahre auch mit den übrigen Feinden
verglich, büßte seine Stellung als erste Macht des Nordens ein; dafür erscheint
nun Rußland als europäische Großmacht an der Seite jener andern Mächte, wie
sie nach dem Utrechter Frieden erscheinen.
Während so durch die Erwerbung Vorpommerns seitens Preußen die Fremd¬
herrschaft auf deutschem Boden beschränkt wurde, ging im Westen des Reichs unter
Kaiser Karls VI. Regierung wieder ein Stück an Frankreich verloren, und zwar
durch einen polnischen Thronfolge krieg während der Jahre 1733—1735.
Im nordischen Kriege war in Polen August II. von Sachsen des Thrones entsetzt
und dafür Stanislaus Leszinski zum König gewählt worden. Letzterer hatte sich
indeß nicht behaupten können, machte aber nach Augusts II. Tode seinen Anspruch
aufs neue geltend gegenüber seinem Mitbewerber August III. Er ward unterstützt
von seinem Schwiegersohn, Ludwig XV. von Frankreich, und Sardinien, während
dagegen August von Rußland und dem Kaiser in Schutz genommen wurde. So
wurde wieder das deutsche Reich Mr eine ihm ganz fremde Sache Kampfplatz
und leider endlich auch mit einem Theile seines Gebietes Kampspreis. Denn als
der lahm geführte, für den Kaiser unglückliche Krieg im Wiener Frieden beendigt
wurde, erlangte August von Sachsen die polnische Krone, Stanislaus Leszinski
aber das Reichsland Lothringen, unter der Bedingung, daß es nach seinem Tode
(er starb 1766) an Frankreich fallen sollte. Der bisherige Herzog von Lothringen
aber, Franz Stephan, wurde mit einem Besitz in Italien, dem Großherzogthum
Toskana, entschädigt. Das war der Schwiegersohn des Kaisers, der spätere Kaiser
Franz I. Kaiser Karl ertrug diese Verluste, wenn anders es für ihn welche
waren, sowie andere an italienischem Besitz, weil er gleichwohl etwas großes im
Interesse seines Hauses glaubte erreicht zu haben, nemlich die Anerkennung der
s. g. pragmatischen Sanction. Karl hatte nemlich keine Söhne; seine
Monarchie als ein Ganzes zu erhalten und sie auf feine Tochter Maria Theresia
zu vererben, das war das Streben seiner Politik; nichts lag ihm mehr am Herzen
als bei den Ständen seiner Länder und den Regierungen der europäischen Staaten
die Zustimmung zu der neuen Erbfolgeordnung (pragmat. Sanction) zu erlangen.
Erbschaftsgedanken waren es auch, welche wesentlich die Politik des zweiten
preußischen Königs, Friedrich Wilhelms I. bestimmten. Freilich wegen der Nctch=
folge in seinem Königreiche brauchte er sich keine Sorge zu machen; es fehlte ihm
nicht an Söhnen, aber die jülich-bergische Erbschaftsfrage tauchte aufs neue auf.
Die Pfalz-Neuburger Linie, welche im Besitz von Jülich und Berg war, mußte
nächstens im Mannesstamm aussterben und so traten die alten brandenburgischen
Ansprüche wieder in Kraft. Friedrich Wilhelm war darauf aus, die¬
selben sich zu sichern: wenn er mit irgend einem Staate sich einließ, so geschah
es nur unter der Bedingung, daß ihm die Anerkennung dieses Anspruches we¬
nigstens auf Berg zugesagt oder gar Beistand bei Durchführung derselben ver¬
sprochen wurde. Friedrich Wilhelm war ein deutscher und kaiserlich gesinnter
Mann: daher war es ihm hoch erfreulich, daß er auch vom Kaiser in einem be¬
sonderen Vertrage diese Zusage erhielt, wofür er die pragmatische Sanction an¬
erkannte und für sie einzutreten sich bereit erklärte. Allein die östreichische Politik
war gegen Friedrich Wilhelm nicht ehrlicher als gegen seine Vorfahren: auch
xiner andern pfälzischen Linie wurde die Nachfolge in Berg zugesichert, und so
Lestand ant Ende der Regierung Karls und Friedrich Wilhelms eine Spannung
zwischen Oestreich und Preußen, die zu immer schärferem Gegensatz sich zuspitzend
mur durch die Waffen ausgetragen werden konnte.
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