48 II. Zeitr. DaS Mittelalter. Von 768 bis 1517.
können. Nur sein rastloser Fleiß und die Kraft und Schnelligkeit seines Geistes
machten es ihm möglich. Er brauchte nur wenig Zeit zur Erholung und zum
Schlafe. Ja, seine Lust und Lernbegierde waren so groß, daß er selbst des
Nachts, wenn er etwa nicht schlafen konnte, ein Täfelchen und einen Griffel unter
seinem Kopfkissen liegen hatte, um sich im Schreiben zu üben; — (damals noch
eine seltene Kunst) — denn er hatte es erst in seinem Alter angefangen zu ler¬
nen und seine schwere Hand war besser gewöhnt, das Schwert als den Griffel
zu führen. Und um auch bei Tage gar keinen Augenblick der kostbaren Zeit zu
verlieren, mußte ihm sein Pfalzgraf, — das war einer der ersten Reichsbeamten,
— beim Ankleiden die Rechtsstreitigkeiten vortragen, die er entscheiden sollte, und
selbst die streitenden Parteien vorführen, wenn es nöthig war; und dann unter¬
suchte und entschied er den Handel. Beim Mittagessen hörte er gern Saiten¬
spiel und Gesang, und ließ sich von einem Vorleser die Geschichten alter Helden
vortragen.
Ebenfalls Hut der Kaiser Karl nicht, wie so vielen anderen Menschen ge¬
schieht, durch Krankheiten viele Zeit verloren. Er genoß vielmehr bis in sein
70. Jahr einer ununterbrochenen Gesundheit, und erst da, ein paar Jahre vor
seinem Tode, fing er an, bisweilen an Fiebern zu leiden. Diese Gesundheit
verdankte er seiner Mäßigkeit und ordentlichen Lebensweise. Seine tägliche Mahl¬
zeit bestand nur aus vier Gerichten, außer dem Braten, den die Jäger an den
Bratspießen aufzutragen pflegten und den er lieber als jede andere Speise aß.
Im Trinken war er noch mäßiger, als im Essen,_ und Trunkenheit verabscheute
er an jedermann, geschweige an sich und den ©einigen. _
Auch in der Kleidung war er sehr einfach und hielt sich immer an die
vaterländische Tracht. Am Leibe trug er ein leinenes Hemd; darüber einen
Rock, mit seidenen Borden eingefaßt, und lange Beinkleider; im Winter ver¬
wahrte er Brust und Schultern noch durch ein Wamms von Otterfellen. Als
-Oberkleid trug er darüber einen Mantel. Stets war er mit dem Schwerte um-
gürtet dessen Griff und Gehenk von Gold oder Silber waren. Bei großen
Feierlichkeiten ging er in einem mit Gold durchwirkten Kleide, mit einem golde¬
nen Diadem, das von Edelsteinen blitzte, und mit einem Degen, der ebenfalls
mit Edelsteinen besetzt war. Dann hatte er ein überaus schönes und majestä¬
tisches Ansehn; denn er war ein großer, starker Mann, über 6 Fuß hoch; seine
großen Augen strahlten von Feuer und eine Adler-Nase zierte sein Gesicht. Eme
heitere Anmuth leuchtete aus seinen Zügen und machte auch im Alter sein von
weißen Haaren und Bart bekränztes Antlitz gar lieblich anzuschauen Karl war
keiner von den finstern Kriegshelden, deren Ernst fein Lächeln mildert, sondern
ein fröhlicher deutscher Sinn lebte in seiner Brust. Dabei hatte er emen festen
männlichen Gang und seinen Körper hatte er durch Lelbesubungen so ausgebüdet
und abgehärtet, daß ihm wenige darin gleich kamen; denn im Fechten, tm -Kei¬
fen, im Jagen und Schwimmen war er Meister.
Weichlichkeit und Ueppigkeit und Nachahmung fremder Sitten konnte Karl
nicht leiden. Es wird erzählt, wie er einstmals seine Hofleute für ihre Hoffart
mit zierlichen ausländischen Kleidern bestraft habe. Als diese sich nämlich an
einem kalten, regnigten Tage mit seiner, seidener Kleidung angethan, bei Wn
versammelt hatten, gab er plötzlich Befehl, die Pferde vorzuführen und eme Jagd
anzustellen. Da war keine Zeit, sich umzukleiden, sondern wie eut jeder_ war,
so mußte er zu Pferde und mit fort in den Wald. Der Regen hatte bald alle