Schilderung des Mittelalters. 88
am Zügel führen mußte, weit hinter dem Zuge zurückgeblieben. Plötzlich um¬
ringten ihn mehr als fünfzig türkische Reiter und schoflen von allen Seiten ihre
Pfeile auf ihn ab; aber sie prallten an feinem Schilde und Panzer zurück, und
er zog ruhig weiter, ohne auf fein Pferd zu steigen. Da sprengte einer der
Kühnsten näher und hieb mit seinem krummen Säbel nach ihm; der Ritter aber
zog sein langes Schlachtschwert, und hieb zuerst dem Pferde des Türken beide
Vorderbeine ab und mit einem zweiten Schlage spaltete er den Türken selbst
vom Kopfe bis auf den Sattel, daß das Schwert noch in den Sattel eindrang.
Da dies die übrigen Türken fahrn, machten sie sich eilig davon und der Ritter
kam unverletzt zum Heere.
Während der Kreuzzüge wurden auch drei geistliche Ritterorden ge¬
stiftet, welche noch durch ein besonders feierliches Gelübde sich dem Dienste
Gottes und des Erlösers widmeten, die Johanniter, die Tempelherren
und die deutschen Ritter, welche zum Theil noch bis auf unsere Zeiten
fortgedauert haben.
Nach der Zeit der ersten Kreuzzüge, und besonders während des Inter¬
regnums, da Recht und Ordnung immer mehr verfielen, sank auch der Ritter-
stand. In den beständigen Fehden unter einander, und noch mehr mit den
reichen Städten, gewöhnten sich viele der Ritter an ein Räuberleben. Es war
leichter und einträglicher, die an ihren Felsenburgen mit Waaren vorüberziehenden
Kaufleute zu plündern, als selbst durch Fleiß etwas zu erwerben; daher suchten
sie muthwillig Streit mit den benachbarten Städten, um nur einen Vorwand
der Räubereien zu haben; endlich aber kümmerten sie sich gar nicht mehr um
einen Vorwand, sondern plünderten jeden Vorüberziehenden aus, er mochte her
sein, woher er wollte, oder forderten doch wenigstens ein bedeutendes Lösegeld,
wenn sie ihn frei sollten ziehen lassen. — Viele ans dem Adel waren aber
auch besser gesinnt, verabscheuten diese Raubritter und hielten die alten Tugenden
des Ritterstandes in ihren Geschlechten aufrecht, wie denn noch immer, auch in
den folgenden Jahrhunderten, sehr ehrenwerthe Ritter in Deutschland gesunden
wurden.
2. Die Städte. — Kunst und Wissenschaft. — Die Geist¬
lichkeit. — Wenn wir nun fragen, ob denn in jener Zeit alle Welt sich nur
auf den Krieg gelegt und nicht auch die friedlichen Künste getrieben habe, welche
das Leben verschönern, so dient zur Antwort, daß Handel und Gewerbe, Bau¬
kunst, Malerei, und die übrigen Künste, vorzüglich in den reichen Städten ihren
Sitz hatten; Gelehrsamkeit, Sprachkunde, Wissenschaft aller Art, in den Klöstern.
Daß die deutschen Städte durch Gewerbsleiß und Handel immer blühender
wurden, ist schon oben gemeldet worden. Die Städte waren für Deutschland
eine große Wohlthat. Während auf dem Lande, außer dem Adel, fast nur die
halb oder ganz unfreien Unterthanen desselben wohnten, bildete sich in den Städten
ein freier Bürgerstand, der durch Fleiß, Klugheit, Erfindsamkeit schnell
emporstieg. Da war einem jeden das Feld geöffnet, auch wenn er nicht durch
die Geburt begünstigt war, sich durch sich selbst zu Ehre und Ansehen empor¬
zuschwingen und Reichthum und Lebensfreuden zu gewinnen. Durch Vereinigung
wurden die Menschen hier stark und lernten den Werth guter bürgerlicher Ein¬
richtungen kennen. Das städtische Gemeinwesen bestand ans lauter Theilen, die
in sich selbst wieder geschlossene Ganze bildeten: zuerst die Familien, diese wieder
vereinigt in Gilden, Innungen und Zünften, und diese zusammen unter dem