Dritter Weit.
Das neurrstandene deutsche Reich.
A. Die Anbahnung der Einheit.
Kaum war die blutige Kriegsthat vollbracht, als Preußen mit der ihm
eigenen Energie im Vollbewußtsein seiner historischen Mission durch rastlose
Bemühungen den Grund zur Vereinigung aller deutscheu Völker zu einem ein¬
heitlichen Staatskörper legte, indem es zunächst alle norddeutschen Staaten zu
einem Bunde, welcher der „norddeutsche" genannt wurde, verband. Am 24^
Februar 1867 trat in Berlin der Reichstag des norddeutschen Bundes zufamT
men' und einigte sich mit den Regierungen über die Bundesverfassung. Sämmt¬
liche Staaten waren fortan zum Schutze des Bundesgebiets, sowie zur Pflege
der Wohlfahrt der vereinigten Bundesvölker eng vereinigt. Am 1. Juli 186711-^a
trat bie Bundesverfassung in Kraft, deren wesentlichste Bestimmungen waren:
die gemeinsame Gesetzgebung wird durch den Bundesrath
(Vertreter der Regierungen) und den Reichstag (Vertreterdes
Volkes) aus geübt. Das Präsidium des-Bundes steht der Krone
Preußen zu, welche den Bund völkerrechtlich zu vertreten be¬
fugt ist und im Namen desselben Krieg erklären und Frieden
schließen kann. Der Reichstag wird alljährlich durch das
Präsidium einberufen. Der König von Preußen führt als
Bundesfeldherr den Oberbefehl über die Land- und Seemacht
des Bundes.
Einen zweiten Schritt zu der beregten Vereinigung bildeten die mit den
süddeutschen Staaten abgeschlossenen Schutz- und Trutzbündnisse. Somit stan¬
den im Falle einer von außen kommenden Gefahr nunmehr sämmtliche Staaten
unsers gemeinsamen deutschen Vaterlandes dem Auslande gegenüber geeint da.
War das auf solche Weise geschaffene Band zwischen Nord- und Süddeutschland
auch nur ein loses: die Genialität des hochverdienten Bundeskanzlers Grasen
von Bismarck wußte dasselbe durch Erneuerung des Zollvereins*) aller deutschen
Staaten und die damit im Zusammenhange stehende Errichtung eines gemein¬
samen deutschen Zollparlaments u. s. f. immer fester zu knüpfen, und die
vorsichtige und rücksichtsvolle Leitung der Bundesangelegenheiten trug we¬
sentlich dazu bei, daß das Bewußtsein der Einheit und Zusammengehörig¬
keit im deutschen Volke immer mehr erstarkte. Doch sollte die von allen echten
Patrioten schon längst erstrebte gänzliche Verschmelzung von Nord und Süd
erst durch einen höchst Mutigen, aber von Deutschland rühmlichst beendeten Waf¬
fengang herbeigeführt werden.
*) Am 8. Juli 1867 wurde der Zollvertrag unterzeichnet.