Griechen.
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gingen sie zu Beleidigungen über; er duldete indessen Schimpf, Spott
und Mißhandlung mit unermüdlicher Geduld.
Einige von seinen Einfällen wollen wir zur Probe mittheilen.
Zu Olympia sah er einige Stutzer aus Rhodus. Nichts als Stolz!
rief er aus. Man zeigte ihm einige schmutzige Spartaner. Auch nichts
als Stolz — sagte er — nur Stolz anderer Art. e Dasselbe sagte in¬
dessen Plato von ihm, und nannte ihn den verrückten Sokrates. —
War's voll bei den olympischen Spielen? fragte ihn ein Athener.
«Viel Zuschauer, aber wenig Menschen!» war die Antwort. Und als
er von einer Reise aus Sparta nach Athen zurückkam, sagte er? «Ich
komme aus den Wohnungen der Männer in die Gemächer der Wei¬
ber.» — Einmal ging er zu Athen bei Hellem Mittage auf dem Markte
mit einer brennenden Laterne umher, überall hinleuchtend. Die Leute
lachten, und fragten, was er suche. «Menschen,» antwortete er, und
sprach jeden um ein Almosen an. Niemand gab ihm etwas, mancher
prügelte ihn. Zuletzt spendete ein Sclave ihm etwas kleine Münze;
da löschte er seine Laterne aus. — Einmal führte ein schöner Jüng¬
ling unzüchtige Reden. «Schämst du dich nicht — sagte Diogenes
zu ihm — aus einer elfenbeinernen Scheide eine bleierne Klinge zu
ziehen?» — In der kleinen Stadt Myndus hatten die Bürger ein
gewaltiges Thor bauen lassen. «Kinder! — sagte Diogenes — hal¬
tet doch das große Thor zu, damit die Stadt nicht hinauslaufe.» —
Auf einer Reise nach Aegina wurde er von Seeräubern gefangen und
an den Corinther Teniades verkauft. Dieser gab ihn frei, und über¬
trug ihm die Erziehung seiner Kinder, und so lebte er im Sommer
gewöhnlich zu Corinth, im Winter zu Athen. Als Alexander d. Gr.
nach Corinth kam, wünschte er den wunderlichen Philosophen kennen
zu lernen und ging einmal mit allen seinen Generalen zu ihm, da er
sich eben vor seiner Tonne sonnte. Er sprach lange mit ihm und er¬
götzte sich an seinen treffenden Antworten. Am Ende sagte er wohl¬
wollend, er möchte sich eine Gnade von ihm ausbitten. «Nun wohl!
— sagte der Cyniker — so geh mir mit den Leuten da aus der Sonne.»
Die Generale wurden entrüstet über die Grobheit, aber der König
sagte: Er hat Recht, und wenn ich nicht Alexander wäre, so möchte ich
wohl Diogenes sein.
Diogenes starb in hohem Alter an der Landstraße, die nach Olym¬
pia führte, vor den Augen der herbeiströmenden Menge.
§. 89.
Die beiden Dionysius und Timoleon.
Um die Zeit, als der peloponnesi'sche Krieg mit Athen's schimpf¬
licher Demüthigung endigte, warf sich in der Republik Syracus auf
der Insel Sicilien ein gewisser Dionysius zum Könige oder — wie
die Griechen es nannten — zum Tyrannen auf (406 v. Chr.X Er
war von niedriger Herkunft, aber ein tapferer Krieger, und als die
Carthager Agrigent Wegnahmen, beschuldigte er die syracusanischen
Feldherren vor dem Volke der Verrätherei, so daß das Volk andere
Feldherren erwählte, unter diesen auch ihn. Aber er wußte seine Col-
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