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ausführen, so greifen sie gewiß statt des Keiles zur Schraube. Sie schieben
diese unter den Balken, drehen dann die Spindel mit Hilfe einer Hebestange
um, so daß sie sich aufwärts bewegt, und der Kopf hebt dann die Last des
Balkens, die auf ihm ruht, langsam empor.
Die Hebungen, welche die Schraube bewirkt, sind freilich äußerst gering 5
im Verhältnis zur aufgewendeten Arbeit; sie erhalten aber nur ihren Wen
durch das günstige Verhältnis zwischen der gehobenen Last und der hebenden
Kraft. Deswegen verwandelt man häufig die Hebung in einen bloßen Druck,
der auf die Last geübt werden muß, wenn diese sich nicht frei bewegen kann.
Ist die Schraubenmutter fest, wie bei Buchdrucker- und Weinpressen, so drückt 10
die abwärts gedrehte Spindel die unter ihr liegenden Massen zusammen; ist
die Spindel feststehend, wie bei Buchbinder- und Kartenpressen, so bewirkt die
Drehung der Mutter oder der sogenannten Flügelschraube dasselbe. Aber auch
die kleinen Hebungen der Schraube können eine wichtige Anwendung finden,
wo es gilt, nur äußerst kleine Veränderungen in der Stellung eines Körpers 15
z. B. eines astronomischen Instrumentes, einer Wage, einer Wasserwage oder
eines Mikroskops hervorzubringen. Es sind die außerordentlich fein und gleich¬
mäßig gearbeiteten Mikrometerschrauben, die hierzu dienen, und die zugleich
das Mittel für die allerfeinsten Messungen gewähren, wenn ihre Spindel mit
einer feingeteilten Kreisscheibe versehen wird. Wenn man mit Staunen oft 20
gehört hat, daß der Naturforscher die Dicke von Blutkügelchen, von Nerven¬
fasern und Blumenstaubkörnchen mißt, so beruht das vermeintliche Wunder in
der sinnreichen Anwendung der Schraube.
Wenige Augenblicke denkender Betrachtung haben genügt, uns die Schraube
als eines der merkwürdigsten und der mannigfachsten Anwendung fähigen 25
Werkzeuge kennen zu lehren. Aus der einfachen Betrachtung der schiefen
Ebene gingen uns nur durch Veränderung der Bedingungen die verschiedensten
Wirkungen hervor, bald ein Festhalten, bald Druck, bald zarte Bewegung. Es
wird aber auch nicht der Entdeckung einer neuen verborgenen Eigenschaft be¬
dürfen, um das Geheimnis der angestaunten Schiffsschraube zu enthüllen. 30
Wir sahen bereits, daß die Schraube einen Stoß in der Richtung ihrer
Achse auszuüben vermag, wenn auch dieser Stoß bisher nur zu kleinen
Hebungen benutzt wurde. Die Wirkung dieses Stoßes muß freilich auch von
der Natur des Körpers abhängen, in welchen die Schraube eindringt. Das
Wasser wird bei seiner Beweglichkeit ihm zum Teil ausweichen; aber immerhin 35
wird von der Wirkung noch genug übrig bleiben, um auch das Wasser zu
heben oder fortzustoßen. Zur Hebung des Wassers wurde die Schraube schon
im Altertume in Form der nach dem vermeintlichen Erfinder benannten Archi¬
medischen Wasserschraube angewendet. Es ist ein schraubenförmiges Rohr, das,
mit dem einen Ende schief im Wasser liegend, bei seiner Umdrehung das 40
Wasser in seine Windungen aufwärts treibt, so daß es, durch die Schnelligkeit
des Umschwunges am Zurückfallen gehindert, an der oberen Öffnung des
Rohres ausfließt. Es ist also eine feststehende, nach aufwärts sich drehende
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