1508
1511
Wachen und Geißeln das Fleisch töten und die Seele heiligen. Dabei
verfiel seines Leibes Kraft, und doch fand die Seele keine Ruhe. Er
erkrankte sehr schwer. Da tröstete ihn ein alter Klosterbruder mit den
Worten des dritten Artikels: „Ich glaube an eine Vergebung der Sünden!"
und wies ihn auf die Worte der Schrift, „daß der Mensch gerecht
werde ohne des Gesetzes Werk, allein durch den Glauben". Auch sein
väterlicher Freund, der Generalvikar des
Ordens, Dr. Johann von Staupitz, ein
erleuchteter und edelgesinnter Mann, sprach
ihm tröstlich zu. Er war's, der den jungen
Priester dem Kurfürsten Friedrich dem
Weisen als Lehrer für die neue Hochschule
zu Wittenberg empfahl (1508). Hier
lehrte Luther zuerst die Weltweisheit, dann
. y oy ,v Theologie. Seine Schriftauslegung und
'-v'seine Predigten in der Schloßkirche machten
großes Aufsehen und gewannen ihm viele
*56. Friedrich III-, der weise. Herzen. Auf einer Reise nach Rom in
N»« -i»-m St.« »»» A, D«-,. «, @a(|en feineä Ordens lernte er die Ver-
weltlichung des römischen Hofes und die Entartung der Geistlichkeit
kennen. Voll Jammer im Herzen rief er: „Giebt es eine Hölle, so ist
Rom darauf gebaut. Es ist die heilige Stadt gewesen und nun die
allerärgste geworden!" Nach seiner Rückkehr ward er Doktor der
Heiligen Schrift und eidlich verpflichtet, die Schrift gründlich zu er¬
forschen und ihren Glauben zu predigen und zu verteidigen.
3. Der kühne Vekämpfer des Ablaßhandels. In Rom saß der
kunstliebende Leo X. auf dem päpstlichen Stuhle. Er brauchte zu seinem
glänzenden Leben und zum Ausbau der
herrlichen Peterskirche viel Geld. Eine
ergiebige Einnahmequelle hatte die Kirche
von frühen Zeiten her an dem Verkauf
von Ablaßbriefen. Dem Besitzer eines
solchen Ablaßbriefes wurde, nach würdigem
Empfang des Buß- und Altarsakramentes,
Nachlassung aller zeitlichen Sündenstrafen
zugefichert. Papst Leo X. bewilligte da¬
mals dem Erzbischof Albrecht von
Mainz und Magdeburg für sein Bis¬
tum einen vollkommenen Ablaß. Der Erz¬
bischof übertrug den Verkauf der Briefe
dem unverschämten und gewissenlosen Do-
Dieser durchzog mit großem Ge-
Mit seinen
*57. Johann Tetzel.
Stich aus dem 17. Jahrhundert.
minikanermönche Johann Tetzel.
pränge das Sachsenland und schlug überall seine Bude auf.
Anpreisungen, daß der gekaufte Ablaßzettel jede Sünden¬
schuld tilge, lockte er dem Volke das Geld aus der Tasche. Be¬
quemer konnte man ja das quälende Gewissen nicht stillen. Es wird
Tetzel das Wort in den Mund gelegt: „Sobald das Geld im Kasten