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„Das Fest des Zeus ist wiederum nahe, aller Streit soll ruhen, jeder Waffen¬
lärm schweige! Frei mögen aus allen Land- und Wasserstraßen die Pilger
heranziehen zu der gastlichen Schwelle des Zeus!" Alle Hellenen waren ein¬
geladen, und ausgeschlossen nur die Schuldbeladenen, oder die dem olympischen
Zeus Ehrfurcht versagt, oder die sich an der gemeinsamen Sache der Hellenen
versündigt hatten, wie einst auf des Themistokles Antrag Hieran aus¬
geschlossen wurde, der König von Syrakus, weil er von dem Kampfe gegen
A'erxes zurückgeblieben war. Die eingeladenen Städte schickten ihre ange¬
sehensten Männer als Gesandtschaften nach Olympia, die aus stattlichen Wagen,
in Prachtgewänder gekleidet, mit zahlreichem Gefolge zum Zeusfeste wall-
fahrteten und im Namen ihrer Städte herrliche Opfer darbrachten. Die
Städte der Kolonien benutzten dieses Fest, um sich mit den: Mutterlande in
lebendigem Zusammenhange zu erhalten; ihre Bürger eilten in den von
Stürmen selten beunruhigten Sommernwnaten herbei, und das Jonische
Meer sowie die breite Alpheiosmündung füllte sich mit den bekränzten Fest¬
schiffen der auf den Küsten von Asien und Afrika, von Italien, Sizilien
und Gallien wohnenden Hellenen, und bewundernd musterte das am Gestade
versammelte Volk die aus fernen Weiden gezogenen Rosse und Maultiere,
welche durch fremdländische, dunkelfarbige Sklaven auf den Boden von Elis
geführt wurden.
Die Kampflustigen unter den versammelten Hellenen mußten sich bei
den Kampfrichtern, den elischen Hellanodiken, melden; sie wurden in Hinsicht
ihres Ursprungs, ihres Rufs, ihrer körperlichen Tüchtigkeit geprüft; sie mußten
nachweisen, daß sie zehn Monate lang in einem hellenischen Gymnasium
die Reihe hergebrachter Übungen gewissenhaft vollendet hatten, und wurden
dann mit den Kämpfern gleicher Gattung und Altersstufe zusammengeordnet.
Zum Schlüsse dieser Vorbereitungen wurden sie vor das Bild des schwur¬
hütenden Zeus geführt, der zum schreckenden Wahrzeichen in jeder Hand den
Blitzstrahl führte, um einen Eid darauf zu leisten, daß sie im Wettkampfe
keine Unredlichkeit und keinen Frevel sich zuschulden kommen lassen wollten.
Die Spiele und Feste wurden im Laufe der Zeiten vielfach geändert und
vergrößert, da die Eleer unablässig bedacht sein mußten, die Feier der
Olympien, das Kleinod ihres Staates, die Quelle ihres Wohlstandes, auf
alle Weise zu Pflegen und durch zeitgemäße Fortbildung vor der gefährlichen
Konkurrenz anderer Festspiele zu behüten. So war aus einen: Festtage all¬
mählich eine Reihe von fünf Tagen geworden, welche in die Zeit des Voll¬
monds um die sommerliche Sonnenwende sielen.
Die Stadien sind älter als die Hippodrome, und wenn wir aus Homer
wissen, wie die Hellenen ihren geliebtesten Heroen den Schnellfüßigen nannten,
so wird es uns nicht wundern, daß auch in Olympia die einfachste und
natürlichste aller körperlichen Geschicklichkeiten die älteste Kampfart war. Nach
dem Sieger im olympischen Wettlaufe bezeichneten die Griechen die Jahr¬
bücher ihrer Geschichte; den behendesten Läufer zu sehen, füllten sich zuerst