y
Normrt?nr ersten Ausiage.
Nur ein materiales Bedürfnis oder ein methodischer Fort¬
schritt rechtfertigt die Herausgabe eines neuen Schulbuches. An ersteres
glaubt kein Mensch bei der Flut der Geschichtsleitfäden. So bleibt allein
der „methodische Fortschritt" als Berechtigungsschein übrig. Daran glaubt
jeder Verfasser bei Herausgabe eines Schulbuches, auch der Unterzeichnete.
Nur der Erfolg kann und wird das Urteil sprechen.
Zunächst bin ich meine methodischen Grundsätze kurz anzugeben schuldig.
1. Der Stoff ist auf das Nötige und Mögliche beschränkt.
Die Vielheit des Stoffes beeinträchtigt stets die Einheit des Erfolges. Namen
und Zahlen sind das Lästige und Vergängliche im Geschichtsunterrichte;
neue Vorstellungen, logisches Denken, gutes Sprechen und Begeisterung für
die Kulturideale der Menschheit sind das Bleibende. Diese Rücksicht hat
die Auswahl geleitet. Charakteristische Züge sind mit Vorliebe in die kleinen,
in sich abgeschlossenen Geschichtsbilder eingewebt; viel trockenes Material,
das nur den Forscher reizt, ist geflissentlich weggelassen. Was im Gedächtnis
des Lehrers nur schwer hat haften wollen, damit soll man die Schüler nicht
plagen und sich die Unterrichtssreude verkümmern.
2. Der Stoff ist nach seiner inneren Zusammengehörigkeit
genau gegliedert. Nur was in einer gewissen Ordnung in unsere Vor¬
stellungswett eintritt, haftet und bereichert. An der Unordnung verarmt
selbst der Reichtum.
3. Schon die Sprache des Leitfadens soll fesseln und bilden.
Die abgerissene sprachliche Form vieler Leitfäden schreckt die Schüler von
der Wiederholung ab und erweist der Sprachbildung einen schlechten Dienst.
4. Die Geschichte ist Jdeenentwickelung und nicht ein Gemengsel
von Namen, Zahlen und Ereignissen. Letztere sind bloß Knoten in dem
Seile der leitenden Idee: „Erziehung des Menschengeschlechts." Diese Rück¬
sicht muß in der Oberklasse betont werden. Darum ist hier den Fragen
und Hinweisen auf klassische Litteraturerzeugnisse besondere
Sorgfalt zu widmen. Die Übersichten gleichzeitiger Begebenheiten
sind ebenfalls für diese Stufe.
Noch ein Wort über den Gebrauch!
Das Buch ist aus der Praxis der Erfurter und Nordhäuser Knaben-
und Mädchen-Mittelschulen hervorgewachsen. Für solche und ähnlich ein¬
gerichtete Schulen ist es zunächst bestimmt. Doch auch jede andere Schule
kann nach Bedürfnis aus dem Stoffe wählen. Die einzelnen Bilder sind
zwar an den Faden der Zeitfolge gereiht, die meisten lassen sich aber auch
aus dem Zusammenhänge lösen und einzeln verwerten.
^ Besondere Gebrauchsanweisungen zum Leitfaden hat der erfahrene
Schulmann nicht nötig. Nur an eins sei erinnert! Auch der Geschichts¬
unterricht darf der methodischen Dreieinigkeit: Anschauung, Einsicht
und Einübung nicht ermangeln. Eine anschauliche, sorglich gliedernde
Erzählung giebt die Anschauung; die Entwickelung einer Stoffgliederung,
erläuternde Fragen und Vergleichungen geben die Einsicht, und durch
Nachlesen, zusammenhängendes Nacherzählen und schriftliche Aufgaben wird
der Stoff eingeübt. Alles andere wolle das Buch selber sagen! Möge
seine Sprache eine gute Resonanz in Lehrern und Schülern finden!
Nordhausen, Ostern 1874.
Fr. Wolack.