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nicht allzuviel. Die Mauer- und Turmreste sprachen für mich eine noch
recht rätselhafte Sprache.
Und doch hat auch diese leere Zeit Steine gelegt. Ich mußte wie
jeder unterfränkische Schuldienstexspektant die Fortbildungskonferenzen
besuchen und das erste Studium, dem ich mit Fleiß oblag, betraf die
„fränkisch-würzburgische Geschichte" von Karl Heffner, im amtlichen Auf¬
träge bearbeitet von dem K. Kreisschulinspektor Gregor Fischer zu Würz¬
burg, dem Vater der bayerischen Lehrerfortbildungskurse. Die vielen
Bischöfe wollten mir wohl schwer ins Gedächtnis; es war nichts vor¬
handen, was ich mir hätte erleichternd aneignen können und das ganze
Werk war zu notizenhaft geschrieben. Doch der erste Abschnitt „Die
Zeit der Völkerwanderung" zündete. Da fand ich die Warnen im unter¬
fränkischen Wertn- oder Werngau, Hessen in Hesselbach, Hassenbach,
Suaven in Schwebenried, Schwanfeld, Schwebheim, Römer am unteren
Main, Sachsen in Waldsachsen, Wüstensachsen, Sachsenheim usw. Auch
die alte Gaueinteilung: Badenachgau, Tulifeldgau, Grabfeld, Gollach-
gau, Gotzfeld usw. berührte mich fremd und doch so heimisch. Immer
habe ich mich bemüht, ein wenig in den Unterricht einfließen zu lassen;
aber was rechtes konnte ich noch nicht damit anfangen. —
Eine zweite Stufe meiner heimatgeschichtlichen Entwickelung be¬
deutet mir der Marktflecken Sommerhausen, wo einst der Schuldiener
Udalrikus Gast die Nöten des Dreißigjährigen Kriegs in Geduld abwartete.
Der bekannte geistliche Schriftsteller Caspari hat ihn als „Der Schul¬
meister und sein Sohn" weit hinaus in die deutschen Lande geschickt.
Den las ich da mit Begeisterung und in dem mauer- und torumwehrten
Flecken gefiel mir's zwei Jahre wohl. Da wirkte die Geschichte unmittel¬
bar und unbewußt. Als ich mit einem älteren Kollegen auf dem alten
Rathause droben unter dem Dache die alten Akten ordnete, da war ich
stillvergnügt und es übte einen sonderlichen Reiz auf mich aus, wenn ich
Schriftstücke aus dem 18. Jahrhundert mühsam las, die z. B. Trauer¬
geläute nach eines Kaisers Tod anbefahlen. Für die alten Rechnungen
hatte ich noch wenig Sinn, brachte auch nur notdürftig einiges heraus.
In meine Schule (3. und 4. Schuljahr) verirrte sich nichts. Und doch
wurzelte ganz allmählich geschichtlicher Sinn in mir ein.
Auf jener Landstelle, die ich nach meiner Anstellungsprüfung an¬
trat, gab's wenig zu sehen nach meiner Meinung. Und doch stand ein
massiger Kirchturm aus dem Ende des 16. Jahrhunderts da. Droben
hingen alte Glocken. Innen war ein prächtiges Grabdenkmal eines