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Niederlage bei Cannä.
am linken Ufer, das kleinere etwa eine Viertelmeile von diesem und nicht viel weiter vom
feindlichen Lager entfernt auf dem rechten, um dem Feinde auf beiden Ufern des Stromes
die Fouragierung zu wehren. Hannibal, dem alles daranlag, bald zum Schlagen zu kommen,
überschritt mit dem Gros seiner Truppen den Fluß und bot auf dem linken Ufer die Schlacht
an, die Paullus nicht annahm. Allein dem demokratischen Konsul mißfiel diese militärische
Pedanterie; es war so viel davon geredet worden, daß man ausziehe, nicht um Posten
zu stehen, fondern um die Schwerter zu gebrauchen, und er befahl darum, auf den Feind
zu gehen, wo und wie man ihn eben fand. Nach der alten törichterweife beibehaltenen Sitte
wechselte die entscheidende Stimme im Kriegsrat zwischen den Oberfeldherren Tag um Tag;
man mußte also sich fügen und dem Helden von der Gasse seinen Willen tun. Auf dem
linken Ufer, wo das weite Vlachfeld der überlegenen Reiterei des Feindes vollen Spielraum
bot, wollte allerdings auch er nicht schlagen. Nur eine Abteilung von 10.000 Mann blieb
in dem römischen Hauptlager zurück mit dem Auftrage, das karthagische während des Gefechtes
wegzunehmen und damit dem feindlichen Heere den Rückzng über den Fluß abzuschneiden; das
Gros der römischen Armee überschritt mit dem grauenden Morgen des 2. August (nach dem
unberichtigten, etwa im Juni nach dem richtigen Kalender) den in dieser Jahreszeit seichten
und die Bewegungen der Truppen uicht wesentlich hindernden Fluß und stellte sich hier
zwischen dem karthagischen Lager und Cannä in Linie auf. Die karthagische Armee folgte
und überschritt gleichfalls den Fluß, an den der rechte römische wie der linke karthagische
Flügel sich lehnten. Die römische Reiterei stand auf den Flügeln, die schwächere der Bürger-
wehr auf dem rechten am Flusse, geführt von Paullus, die stärkere buudesgenössische auf
dem linken gegen die Ebene hin, geführt von Varro. Im Mitteltreffen stand das Fuß'
Volk in ungewöhnlich tiefen Gliedern unter dem Befehl des Prokonfuls Guäus Servilius.
Diesem gegenüber ordnete Hannibal sein Fußvolk in halbmondförmiger Stellung, fo daß
die keltischen und iberischen Truppen in ihrer nationalen Rüstung die vorgeschobene Mitte,
die römisch gerüsteten Libyer auf beiden Seiten die zurückgenommenen Flügel bildeten. An
der Flußseite stellte sich die gesamte schwere Reiterei unter Hasdrubal aus, an der Seite nach
der Ebene zu die leichten nnmidischen Reiter. Nach kurzem Borpoftengefechte der leichten
Truppen war bald die ganze Linie im Kampfe. Wo die leichte Reiterei der Karthager gegen
Varros schwere Kavallerie focht, zog sich das Gefecht unter stetigen Chargen der Numidier
ohne Entscheidung hin. Dagegen im Mitteltreffen warfen die Legionen die ihnen zuerst be¬
gegnende« spanischen und gallischen Truppen vollständig; eilig drängten die Sieger nach und
verfolgten ihren Vorteil. Allein mittlerweile hatte sich aus dem rechten Flügel das Glück
gegen die Römer gewandt. Hannibal hatte den linken Reiterflügel der Feinde bloß beschäf¬
tigen lassen, um Hasdrubal mit der ganzen regulären Reiterei gegen den schwächeren rechten
zu verwenden und diesen zuerst zu werfen. Nach tapferer Gegenwehr wichen die römischen
Reiter, und was nicht niedergehauen ward, wurde den Fluß hinaufgejagt und in die Ebeue
versprengt; verwundet ritt Paullus zu dem Mitteltreffen, das Schicksal der Legionen zu
wenden oder doch zu teilen. Diese hatten, um den Sieg über die Vorgeschobeue feindliche
Infanterie besser zu verfolgen, ihre Frontstellung in eine Angriffskolonne verwandelt, die
keilförmig in das feindliche Zentrum eindrang. In dieser Stellung wurden sie von dem
rechts und links einschwenkenden libyschen Fußvolke von beiden Seiten heftig angegriffen und
ein Teil von ihnen gezwungen, Halt zu machen, um gegen die Flankenangriffe sich zu ver-
leidigen, wodurch das Vorrücken in Stockung kam und die ohnehin schon übermäßig dicht
gereihte Jnfanteriemasse nun gar nicht mehr Raum fand, sich zu entwickeln. Inzwischen
hatte Hasdrubal, nachdem er mit dem Flügel des Paullus fertig war, seine Reiterei aufs neue