Full text: Charakterbilder aus der Geschichte der alten und beginnenden neuen Zeit (Bd. 1)

Lebensweise der Mönche. 
413 
aus dem Griechischen übersetzt und dessen ägyptisch geschriebene Regel Hieronymus um 404 ins 
Lateinische übertragen hat. Er führte diese Regel in Tabennä ein, wo er, einer Stimme 
von oben folgend, sich angesiedelt und ein Kloster erbaut hatte. Wer dort aufgenommen zu 
werden wünschte, mußte zehn oder mehr Tage vor der Pforte stehen und gutmütig jede 
Schmach von den vorübergehenden Brüdern sich gefallen lassen und wurde erst, wenn er 
ausharrte und Sündhaftigkeit gezeigt, eingelassen. Dann zog er seine Kleider aus und er- 
hielt in der Versammlung der Brüder das Ordenskleid; die abgelegten Gewände aber bewahrte 
man so lange, bis man nach dreijähriger Prüfung seiner Beharrlichkeit ganz sicher geworden; 
dann erst wurden sie den Armen geschenkt. Hatte er aber mit einem Worte sich vergangen 
oder auch nur einmal Ungehorsam gezeigt, dann wurden sie ihm wieder angezogen und er 
mußte das Kloster verlassen. Nach der Aufnahme wurde er auf ein Jahr einem Altvater 
übergeben, der unweit einer Klosterpforte wohnte und dort die Gäste zu bedienen bestellt 
war; erst wenn er auch da die Probe bestanden, wurde er förmlich in die Versammlung der 
Mönche aufgenommen. Diese waren in vierundzwanzig Abteilungen geteilt, jede mit einem 
Buchstaben des Alphabets bezeichnet und unter einem eigenen Aufseher. Die Einteilung be- 
ruhte auf der Verschiedenheit der Anlagen und der geistlichen Fortschritte der einzelnen. Die 
Natur des Buchstabens deutete die Art und Sitten jeder Abteilung an, eine Einrichtung, in 
der noch ein Rest altägyptischer Hieroglyphik durchleuchtet. Bei sparsamer Nahrung, bestehend 
aus Brot, Kohl, Käse und Oliven, erfüllte angestrengte Arbeit, wechselnd mit Gebet, Beschau- 
ung und Betrachtung, ihr ganzes Leben; Schlaf war nur so viel gestattet, als die Notdurft 
des Lebens erforderte; zum Schlafe sollten sie sich aber nicht niederlegen, fondern sich Sitze 
machen, die etwas zurückgelegt waren; dahinein legten sie ihre Decken und schliefen sitzend, 
gegürtet, in ihren Röcken. Zu Tische versammelten sie sich schweigend, die Kappe über das 
Gesicht gezogen, daß keiner sehen konnte, wie es der Nachbar hielt; einige berührten dann 
bloß die Speise, andere brachten sie scheinbar zum Munde, manche aßen nach ihrem Be- 
dürsnis, während andere wohl bis zum fünften Tage sich enthielten. Während der Mahlzeit 
wurden Psalmen gesungen und Stellen aus der Heiligen Schrift vorgelesen. Sie ließen keine 
Zeit müßig ohne Handarbeit vorübergehen, ja sie sannen auf solche, die man im Finstern 
verrichten konnte. Morgens früh standen sie auf, jeder ging an seine Beschäftigung, etliche 
in die Küche, andere auf den Acker, um ihn zu bebauen, andere in die Gärten, um sie zu 
bepflanzen, andere in die Bäckerei. Jene wurden zu Bauwerken, diese zum Weben des Tuches 
oder zur Gerberei verwendet; einige machten Schuhe, andere Tischdecken, wieder andere 
flochten Körbe und Matten, manche schrieben. Keinem war erlaubt, auch nur einen Korb 
zu eigen zu haben. Am meisten wurden sie darin geübt, den Eigenwillen zu brechen, und 
der Gehorsam wurde so streng gehalten, daß keiner sich unterstehen durfte, ohne Wissen des 
Vorstehers der leiblichen Notdurft wahrzunehmen; alle seine Befehle wurden so emsig erfüllt, 
als ob sie vom Himmel kämen; selbst unmögliche Dinge suchten sie zu vollbringen. Das 
Stillschweigen hielten sie so, als wäre jeder ganz allein mitten in der Wildnis. Ihre Gebete 
waren kurz, aber öfter wiederkehrend; über Tag wurde zwölfmal, ebensooft Abends und in 
der Nacht gebetet. Pachomius gestattete nicht, daß einer der Seinigen zum Priester geweiht 
werde, der eitlen Ehre wegen; an Festtagen feierten daher die Priester aus den nächsten 
Dörfern die Geheimnisse vor ihnen. Kein Husten, Gähnen oder Ausspucken war während 
des Gottesdienstes gestattet; jeder kniete nieder und erhob sich mit dem Priester und man 
vernahm keinen Laut als die Worte des Betenden. 
Der Zweck dieser einsamen Lebensweise im Kloster wie in der Zelle war stete Tugend- 
Übung in jeder Art und Form. Die Armut galt als die erste Vorbereitung und das erste
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.