Full text: Charakterbilder aus der Geschichte der alten und beginnenden neuen Zeit (Bd. 1)

414 
Lebensweise der Mönche. 
und unentbehrlichste Erfordernis für den Einsiedler. Die Ehre bei den Menschen suchen und 
mit Ruhmredigkeit ob seiner Taten sich erheben, war ihnen einen Greuel; die Unbill scheuen 
schien ihnen ein Schwäche; ein instinktartiger Abscheu vor der Ehre der Welt bedünkte sie 
als die Grundbedingung des Charakters eines Mönches; darum setzten sie sogleich ihr Fasten 
und die Strenge ihres Lebens cms, wenn fremde Brüder sie besuchten, um sich vor ihnen 
ihres Wandels nicht zu rühmen. Über andere zu urteilen, hielten sie für eine Missetat und 
pflegten zu sagen: „Bist du rein, so wolle den Unreinen nicht verurteilen, sonst werdet ihr 
beide ein Gebot Gottes übertreten." Wie aber das Urteil über andere mild, so sollte das 
über sich selbst streng und bescheiden sein. Gastfreiheit und Barmherzigkeit zu üben, war in 
allen Einöden heilige Pflicht; kamen Gäste, dann aßen sie sogar auch wohl mehrmal im 
Tage; denn sie waren überzeugt, daß das Fasten zwar seinen Lohn zu erwarten habe, aber 
derjenige, der dem Nächsten zulieb esse, zwei Gebote erfülle, er verleugne seinen Eigenwillen 
und beweise seinem Nächsten die brüderliche Liebe. Sogar einem Manichäerpriester öffnete 
aus diesem Grunde ein Altvater einst die Türe, als er des Nachts anklopfte; ob er ihn 
gleich gar wohl kannte, ließ er ihn den Segen über sich sprechen, gab ihm zu essen uud 
einen Ort der Ruhe, was diesen so rührte, daß er katholisch wurde. In der Enthaltsamkeit 
übten sie sich unablässig, und was der Abt Daniel darüber gesagt, war gemeine Meinung 
unter ihnen: „Je mehr der Leib grünt und blüht, um so mehr muß die Seele verdorren; je 
mehr hingegen der Leib verdorrt, um so stärker wird die Seele grünen und zunehmen." Sie 
hatten es darin zum Unglaublichen gebracht. Der Abt Elpidins pflegte fünfundzwanzig Jahre 
lang nur am Samstag und Sonntag zu essen und brachte es in der äußern Abtötung so 
weit, daß man ohne Mühe seine Gebeine durch die Haut zählen konnte. Der heilige Jo- 
Hannes, ein neunzigjähriger Greis, den Palladius sah, war. so abgetötet, daß er auch im 
höchsten Alter nichts aß als Baumfrüchte. Brot und Gekochtes kostete er nie; auch war er 
in vierzig Tagen nie aus seiner Zelle gekommen. Der heilige Makarius brockte Brot in ein 
Gefäß mit engem Halse und aß jedesmal nur so viel, als er mit einem Griffe herausnehmen 
tonnte; „daß ich aber gar nichts essen sollte," sagte er, „dazu konnte ich meinen Leib, den 
bösen Zöllner, nicht gewöhnen." So vorbereitet konnte er, unbekannt und nur mit Mühe 
vom heiligen Pachomius in sein Kloster Tabennä aufgenommen, die ganze vierzigtägige Fasten 
hindurch in einem Winkel schweigend und Palmblätter flechtend stehen; Sonntags genoß er 
einige rohe Kohlblätter und verließ den Ort nur in der äußersten Notwendigkeit, so daß 
die andern Mönche zuletzt sich gegen ihren Vorsteher erhoben und baten: „Woher hast du 
diesen Mann, der zu unserer Verdammnis gleichsam nichts Menschliches an sich hat; schaffe 
ihn sobald als möglich wieder fort, oder wir gehen alle miteinander davon." Neben der 
Enthaltsamkeit war die Zügelung der Leidenschaften ihre tägliche Übung. Sie hielten sich in 
steter aufmerksamer Selbstbeobachtung, die sie durch ein beinahe ununterbrochenes Still- 
schweigen möglich machten und sich durch fast unablässiges Gebet zu erstreiten suchten. Darum 
legten sie auf fortgesetzte Übung des Gehorsams so großen Wert, daß Pambo von vier 
Mönchen, von denen einer viel gefastet, der andere in großer Armut sich gehalten, der dritte 
große Liebe geübt, der vierte aber zweiundzwanzig Jahre unter dem Gehorsam eines Altvaters 
gelebt hatte, letzteren für den Vollkommensten erklärte, weil die andern ihre Tugenden aus 
eigenem Willen erlangt, dieser aber dabei den seinigen verleugnet hatte. Alle Tugenden 
Halten ihnen nichts, war nicht die Demut beigesellt; sie hielten alle Mühe und Arbeit ver- 
loren, wenn sie fehlte; denn sie sahen in ihr den Baum des Lebens, der sich unter der 
Erde vertiefend hoch über sie emporwächst. Mit ihr vereinten sie die Geduld und in naher 
Verwandtschaft damit die Liebe zu Gott und zum Nächsten. Als Krone der Tugenden aber
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.