Full text: Allgemeine Weltgeschichte

74 Zweites Hauptstück. Das Mittelalter. 
durch die sich bildende nationale Verschiedenheit zwischen dem 
germanischen Anstrasien und dem vorwiegend römischen Neu¬ 
strien, neue, besonders durch den Haß zwischen der austrasischen 
Brunhilde und der nenstrischen Fredegunde greuelvolle 
Bruderkriege, bis Chlotar II. die Ordnung wiederherstellte und 
jedem der drei Hauptländer, Austrasien, Neustrien und Burgund, 
einen eigenen Majordomus gab. Diese Würde, ursprünglich nur 
die Aufsicht über das königliche Hauswesen, wuchs in der Hand des 
Anstrasiers Pipin d. ä. auch zu politischer Bedeutung heran und 
wurde für seine kräftigen Nachkommen das Mittel, das Reich aus 
seiner Versunkenheit wieder aufzurichten, zugleich aber auch die 
königliche Macht dein verkommenden merowingischen Hause allmäh¬ 
lich ganz zu entwinden. Pipins gleichnamiger Enkel, durch die 
687] Schlacht bei Testri Majordomus des ganzen Frankenreichs, vererbte 
7i4] seine Kraft und seine Würde aus seinen Sohn Karl Martell, 
732] der durch den großen Sieg bei Tours und Poitiers das Weiter¬ 
schreiten der über die Pyrenäen gedrungenen Sarazenen hemmte und 
die christliche Kultur des Abendlandes vor dem Halbmond rettete. 
Sein Sohn Pipin der Kleine stieß endlich den Merowinger 
752] Childerich III. ganz vom Throne und ließ sich selbst von den 
Franken zum Könige erheben. 
§ 47. Verfassung der germanischen Staaten. Die Kirche. 
Mit' der hohem Bildung nahmen die Germanen von den unter¬ 
worfenen Römern auch deren feste Rechtsordnung an. Das ursprüng¬ 
lich wählbare Königtum näherte sich mit der Zeit der Erblichkeit; 
die Einkünfte des Königs flössen aus dem großen Grundbesitz, den 
Abgaben und Tributen; er ernennt die Beamten, die Gaugrafen 
und die Herzöge, die Vorsteher mehrerer Gaue. Er bedarf der 
Zustimmung seiner Getreuen, doch verlor bei den Franken die 
jährliche Versammlung des bewaffneten Volks, das Märzfeld, mit 
der wachsenden Ausdehnung des Reichs allmählich ihre Bedeutung. 
Der altgermanische Staat beruhte aus der Gleichberechtigung aller 
Freien, die dem König eidlich zu Treue und Heeresfolge verpflichtet 
waren. Indem aber nach und nach die Könige, namentlich in der 
Karolingerzeit, an ihre Anhänger, die Leute ihres Gefolges, ihres 
Hofstaates, selbst an ihre Dienstmannen, die Ministerialen, Stucke 
ihres Grundbesitzes in Form von Lehen (beneficium, feudum) 
austeilten, wobei die Empfänger als Vasallen aus Lebenszeit zu 
ihnen in ein besonderes Schutz- uud Treueverhältnis traten, bildete 
sich das L eh e n sw e s e n. Das höhere Ansehen, welches der materielle
	        
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