Full text: Leitfaden der brandenburgisch-preussischen und deutschen Geschichte

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durch Erhebung der Contributionssteuer erhöht, so daß die Kriegs¬ 
last schon 1808 abgetragen war, und die Franzosen das Land ver¬ 
ließen. Die Verwaltung wurde gänzlich umgestaltet. Stein wollte 
dem Staat an innerer Kraft ersetzen, was er an Umfang verloren. 
Darum suchte er in dem Volke vaterländische Gesinnung, edles 
Selbstbewußtsein und rege Theilnahme am öffentlichen Wohte zu er¬ 
wecken.^ Die Städte erhielten in der Städteordnung von 1808 größere 
Selbstständigkeit und 1810 die allgemeine Gewerbefreiheit. Das 
Unterthänigkeitsverhältniß der Bauern wurde aufgehoben, die Steuer¬ 
freiheit des Adels abgeschafft, und die Juden zu Staatsbürgern er¬ 
klärt. Um größere Dattel zu gewinnen, wurden sämmtliche geistliche 
Güter, sowie die Besitzungen des Johanniter-Ordens eingezogen. 
Wissenschaftliche Bildung zu fördern, wurde 1809 die Universität zu 
Berlin gestiftet und die zu Frankfurt nach Breslau verlegt. 
Bor allen Dingen aber wurde durch Scharnhorst und Gnei¬ 
sen au die Heerversaffung umgestaltet und statt der Werbung die 
allgemeine Wehrpflicht eingeführt, Stock und Spießruthen abgeschafft 
und auf sittliche und wissenschaftliche Bildung der Offiziere geachtet. 
Die Beschränkung des Tilsiter Friedens, nur 42,000 Mann zu 
halten, wurde dadurch unwirksam gemacht, daß man die dienstpflich¬ 
tige Mannschaft nur so lange behielt, bis sie ausgebildet war, und 
dann durch ueue Mannschaften ersetzte. Der Haß gegen Napoleons 
Gewaltherrschaft veranlaßte auch einen Kreis patriotischer Männer 
zur Stiftung des Tugendbundes, der zwar bald, von Napoleon 
beargwöhnt, ausgehoben wurde, im Geheimen aber fortbestand und 
zur Herbeiführung einer bessern ^eit viel beitrug. Mit Sehnsucht 
erwarteten indessen die Berliner bte Rückkehr der königlichen Familie, 
die endlich am 23. Dezember 1809 stattfand. Rührend war der 
Empfang, und die innigste Liebe und Verehrung zu dem edlen 
Herrscherpaare sand bei dieser Gelegenheit in aUen Schichten des 
Volkes den herzlichsten Ausdruck. Lerder sollte aus diese reine, uu- 
geheuchelte Freude der tiefste Schmerz folgen. Die Königin, deren 
Gesundheit durch die unsäglichen Leiden, welche über ihr Haus und 
Volk hereingebrochen waren, untergraben war, erkrankte in ihrem 
väterlichen Hause in Mecklenburg-Strelitz sehr bedenklich. Nur zu 
bald entschwand jede Hoffnung auf Genesung, und am 19. Juli 1810 
brach das Herz der treusten Gattin, der liebevollsten Mutter, der 
allverehrten Königin Luise. Ihr Tod erfüllte ganz Preußen mit der 
tiefsten Trauer. 
Inzwischen hatten die Oesterreicher 1809, während Napoleon mit 
bedeutenden Streitkräften in Spanien einen Volksaufstand zu dämpfen 
bemüht war, abermals die Waffen ergriffen. Aber umsonst; Napoleon 
drängte in einer Reihe siegreicher Gefechte tie Oesterreicher zurück und 
eroberte Wien. Er wurde zwar in der mörderischen Schlacht bei 
Aspern am 21. Mai vom Erzherzog Karl geschlagen; doch zwang er die 
Oesterreicher durch die überaus blutige Schlacht bei Wagram am
	        
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