2 § 1. Die Germanen und ihr Kulturzustand.
letzteren hausten Bären, Wölfe, Auerochsen, Elenthiere und anderes Wild
und boten reichlich Gelegenheit zur Befriedigung der unseren Vorfaren eigenen
Lust zur Jagd. Roggen, Hafer, Gerste, vielleicht auch Weizen wurden ge¬
baut, ebenso Flachs, wildes Obst und mehrere Arten von Rüben (Rettiche).
Auf grasreichen Tristen weideten zalreiche Herden, auch Salz und Eisen
wurden gewonnen.
Die einzelnen Völkerschaften der Germanen selbst nannten sich lediglich mit
ihren Stammesnamen und leiteten sich von dem erdgebornen Gott Tuisko und dessen
Son Man her. Der Ausdruck „deutsch" (diutisk von diut, diet = Volk) bezeichnete
ursprünglich den Gegensatz des Volksmäßigen gegen das Fremde, besonders Roma¬
nische und wird auf das Volk selbst erst um die Mrtte des 11. Jarhuuderts übertragen
und zwar zuerst von italienischen Schriftstellern.
Die Germanen unterschieden sich von andern Völkern sowol durch
körperliche, als auch durch geistige Eigenschaften. Sie waren ein kräftiges
Volk mit weißer Haut, blonden Haaren, blauen Augen und zeichneten sich
durch Mut, Tapferkeit, Treue und Religiosität aus. Tacitus sagt von ihnen:
„Gute Sitten vermögen bei ihnen mehr, als anderswo gute Gesetze". Die
Gastfreundschaft war heilig, die Treue wurde besonders in der Ehe geübt,
auf deren Reinheit und Heiligkeit das häusliche Glück beruht. Aus dieser
Treue sowol, wie aus ihrer Liebe zur Natur vermögen ivir das tiefe Gemüt
unserer Vorfaren zu erkennen.
Die Narung der Germanen war einfach und bestund aus rauhem
Roggen- oder Haferbrot, aus Fleisch, Milch, Butter und Käse, aus wildem
Obst und Rüben (Rettichen). Das liebste Getränk war ihnen der Met, ein
dickflüssiges Bier aus Gerste oder Weizen, Wasser und Honig. Bei Gast¬
mälern, wo auch allgemeine Angelegenheiten besprochen wurden, kreiste der
Becher fleißig in der Runde. In der Trunkenheit verfielen die Zecher nicht
selten auf das Spiel, dem oft Hab und Gut, ja selbst die Freiheit zum
Opfer fiel. Stets folgte der Verlierende willig in die Sklaverei, denn „das
nannten sie Treue!"
Ebenso einfach war die Kleidung. Trotz des rauhen Klimas war der
Körper bloß mit einem von den Frauen bereiteten, eng anliegenden leinenen
Gewände, das für beide Geschlechter fast gleich war, und mit einem Mantel
aus Tierfellen bekleidet, der vorne gewönlich mit einem Dorn zusammenge¬
halten wurde.
Auch die Wonungen waren ganz einfach. Die Germanen bewonten
nämlich vorzugsweise Blockhäuser, bei deren Ausschmückung keinerlei Kunst
und Geschmack zu Tage trat. Nur das nötigste Geräte für die Haus- und
Landwirtschaft fand sich vor, nnd diese wurde von den Frauen, Schwäch¬
lingen und Greisen besorgt, denen für die härteren Arbeiten leibeigene
Knechte und Mägde zur Seite standen. Die streitbaren _ Männer hielten
solche Arbeiten ihrer unwürdig und beschäftigten sich hauptsächlich mit Jagd
nnd Krieg. Sonst gingen sie müßig oder gaben sich den Freuden des
Gastmals hin.
Die Germanen schieden sich zur Römerzeit in 1) Edle; 2) Freie;
8) Hörige; 4) Eigene. Von diesen vier Ständen ging der erste, der Adel, schon
in den ersten Jarhunderten unter. Dagegen bildete sich noch wärend der
Völkerwanderung durch Einfürung des Lehenswesens aus dem Stande der