Full text: Griechische Heldensagen für die Jugend

„Nun, so höre denn, König," weissagte der ge¬ 
kränkte greise Prophet, „höre, was dir bevorsteht. 
Ehe noch die Sonne untergeht, wirst du einen Sprö߬ 
ling aus deinem eigenen Blute zum Ersatz für zwei 
Leichen in den Tod hingeben. Zwiefältig ist ja dein 
Frevel, indem du den gefallenen Königssohn gottlos 
den Unterirdischen, denen er gebührt, verweigerst, und 
die lebende Königstochter grausam aus der Oberwelt 
zu den Toten hinabgestoßen hast. Darum wirst du 
dem göttlichen Zorngerichte nicht entgehen: bald, bald 
wird dein Haus von lautem Weherufe erschallen." Nach 
diesen Worten ließ sich Teiresias von seinem Knaben 
nach Hause führen. 
Kreon aber war durch die schauerliche Weissagung 
des Sehers, der noch nie Unwahres verkündet hatte, 
wie zerschmettert. Sein Starrsinn brach auf einmal 
zusammen, und, getrieben von unsäglicher Angst, be¬ 
eilte er sich, das, was er in trotzigem Mißbrauch 
seiner Herrschergewalt verfehlt hatte, wieder gut zu 
machen, damit er dem angedrohten Unheil entrinne. 
Er selbst begab sich sogleich mit mehreren Dienern 
nach dem Felde, wo Polyneikes lag und ließ den 
Leichnam feierlich verbrennen und über der Asche 
einen Grabhügel aufschütten; dann eilte er nach 
Antigones Felsengrab, um die eingeschlossene Jung¬ 
frau zu befreien. 
Aber so sehr er seine Schritte beschleunigte, er 
kam zu spät dorthin. Das Gewölbe war erbrochen, 
aus dem Innern drangen laute Jammertöne. Hämon
	        
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