Full text: Griechische Heldensagen für die Jugend

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2. Herakles am Scheidewege. 
Eines Tages begab er sich von Hirten und 
Herden weg in eine einsame Gegend und überlegte 
stille bei sich, welchen Lebensweg er einschlagen sollte. 
Da sah er auf einmal zwei Frauen von hoher Gestalt 
auf sich zukommen. Die eine zeigte in ihrem ganzen 
Wesen Anstand und edle Würde, ihr Blick war be¬ 
scheiden, ihre Haltung sittsam, das Gewand, welches 
sie trug, einfach und von fleckenloser Reinlichkeit. 
Die andere sah aufgedunsen und verweichlicht aus; sie 
hatte sich über die Maßen herausgeputzt und ihre Haut 
geschminkt, den Kopf warf sie eitel in die Höhe und 
mit den Augen betrachtete sie bald selbstgefällig ihre 
eigene Gestalt, bald blickte sie um sich, ob auch andere 
sie sähen; oft schaute sie nach ihrem eigenen Schatten. 
Als die beiden dem Herakles näher kamen, ging 
die erstere ruhig ihren Gang fort, bie andere aber 
drängte sich vor, lief auf den Jüngling zu uud sprach: 
„Herakles, ich sehe, du bist unschlüssig, welchen Weg 
durch das Leben du eiuschlagen sollst. Wenn du mich 
zur Freundin erwählst, so werde ich dich die ange¬ 
nehmste und gemächlichste Straße führen: keine Lust 
sollst du ungekostet lassen und dein Leben ohne jegliche 
Beschwerde hinbringen. Um Kriege und Geschäfte 
hast du dich nicht zu bekümmern; du darfst nur 
darauf bedacht sein, mit den köstlichsten Speisen und 
Getränken dich zu laben, deine Augen, deine Ohren 
und die anderen Sinne zu ergötzen, auf dem weichsten
	        
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