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am Main zwischen betn Kaiser von Östreich, dem König von
Preußen und dem Großherzog von Hessen abgeschlossenen Staats¬
vertrag Mainz dem Großherzogtum Hessen einverleibt. Die be¬
treffende Bestimmung lautete: „Die Stadt Mainz und Gebiet, mit
Inbegriff von Kastel und Kostheim wird der Großherzog von Hessen
und nach ihm seine Abkömmlinge und Nachfolger mit allem Eigentume
und aller Staatshoheit besitzen, mit Ausnahme alles dessen, was zur
Festung gehört, welche als Festung des deutschen Bundes er¬
klärt ist". Am 12. Juli desselben Jahres fand dann im Mainzer
Regierungsgebäude in feierlichster Weise die Übergabe der Stadt an
die Vertreter des Großherzogs statt. Mainz wurde Hauptstadt der¬
neuen hessischen Provinz Rheinhessen und im Lause der Zeit
Sitz der Provinzial- und Kreisbehörden, einer Eisenbahn-Direktion,
eines Landgerichts, eines Hauptsteueramts, eines Kreisbauamts, zweier
Wasserbauämter, sowie einer Oberförsterei. Ein großes Glück für die
ruhige Weiterentfaltung der Stadt Mainz war es, daß damals an der
Spitze der Provinzialregierung ein Mann stand, der über ein Viertel-
jahrhundert in vortrefflicher Weise die Geschäfte leitete; es war der
Provinzialdirektor Freiherr von Lichtenberg; sein Name wird in
der Geschichte der Stadt Mainz unvergessen bleiben.
2. Uber den Besatzungsdienst der Festung Mainz wurde
später bestimmt, daß der Gouverneurposten alle fünf Jahre neu zu be¬
setzen sei und zwar so, daß immer auf einen östreichischen Gouverneur
ein preußischer folgen soll. Der Großherzog von Hessen erhielt das
Recht, ein Bataillon Infanterie in die Festung zu legen. Die übrige
Besatzung hatte Östreich und Preußen in gleicher Zahl auf Bundes¬
kosten zu stellen. — Die in den Kämpfen von 1793 bis Ende 1797
entstandenen vorübergehenden Befestigungen wurden in regelmäßiger
Weise ausgebaut. Insbesondere wurde der „Hartenberg" als Endpunkt
der die Stadt vom Rheine her umgebenden Hügelkette in die Be¬
festigung eingezogen. Auf diese Weise reihte sich dem bisherigen
Festungsgürtel noch eine dritte Umschließungslinie an. Auch Kastel
wurde von neuem befestigt.
38. Die Nosenvrautstiftung.
Eine Mainzer Einrichtung, die sonst in keiner Stadt Deutschlands
besteht, ist die „Rosenbrautstiftung". Durch Testament hinterlegte im
Jahre 1835 die Witwe des Freiherrn von Eberstein die Summe von
12000 Gulden. Von den Zinsen dieses Kapitals soll am 1. Mai
jedes Jahres eine durch Tugenden besonders ausgezeichnete Mainzer
Jungfrau 500 Gulden erhalten. 100 Gulden müssen für eine zu
veranstaltende Festlichkeit verwendet werden; diese besteht in einem
Festmahle, dem der Bürgermeister, die Stadtverordneten und die
erwählte Jungfrau beiwohnen. Da bei diesem Festessen die Erwählte
den Ehrenplatz einnimmt und zum Lohne ihrer bescheidenen Tugenden