Full text: Leitfaden zur Geschichte des deutschen Volkes

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Das julisch-klaudische Kaiserhaus. 
Im übrigen war die Regierung des Augustus reich an Erfolgen, und 
als er 14 n. Chr. starb, konnte er mit Recht sagen, er habe seine Rolle 
gut gespielt. Aber in seiner Familie hatte ihn das Unglück verfolgt. Er 
hinterließ keine leiblichen Söhne und hatte nach dem Hinsterben seiner 
Enkel halb wider Willen seinen Stiefsohn Tiberius Claudius Nero 
(14—37) zum Nachfolger einsetzen müssen. Der neue Kaiser, bei seiner 
Tronbesteigung schon 55 Jahre alt, war kein untüchtiger Herrscher; er 
regierte voll Einsicht und Klugheit und vor allem mit vernünftiger Spar¬ 
samkeit noch unumschränkter als Augustus das weite Reich. Aber von 
Anfang an neigte der stolze und verschlossene Mann sehr zum Mißtrauen; 
dies nahm durch trübe Erfahrungen immer mehr zu und steigerte sich 
schließlich infolge des schändlichen Verrats des Sejan, dem er lange 
Zeit die größte Macht eingeräumt hatte, zum bittersten Menschenhaß, der 
ihn auch vor Grausamkeiten nicht zurückschrecken ließ. Schon längst hatte 
er Rom verlassen: die ganze letzte Zeit seines Lebens verbrachte er in 
einsamer Zurückgezogenheit, meist auf der Znsel Capri, und schließlich 
fand er, schon hoch betagt, zu Misenum ein trauriges Ende: er wurde, 
als er aus einer liefen Ohnmacht gegen die Erwartung seiner Umgebung 
wieder erwachte, erstickt. Sein Nachfolger, der junge Gaius, zubenannt 
Caligula (37—41), der Sohn des durch seine Siege in Deutschland 
berühmt gewordenen Germaniens und Enkel des Drusus, verfiel, 
betört von der ungeheuren Macht, die ihm plötzlich zugefallen war, in 
wahnwitzige Selbstüberhebung und regierte als lasterhafter, feiger und 
grausamer Tyrann, bis ihn einer der Führer der Leibgarde, der immer 
mächtiger werdenden Prätorianer, im Jahre 41 erschlug. Diese riefen 
nun einen Oheim des Gatus, den Claudius (41 54), zum Kaiser aus, 
der, durch und durch ein Schwächling, sich von seinen Frauen und Günst¬ 
lingen völlig beherrschen ließ. Auch er endete durch Meuchelmord: seine 
eigene Gemahlin Agrippina ließ ihn vergiften; dann erhob sie den 
Nero, ihren Sohn aus erster Ehe, auf den Thron (54—68). Er 
regierte einige Jahre, von seinem Lehrer, dem weisen Seneca, beeinflußt, 
leidlich, beging dann aber voll Eitelkeit, Grausamkeit und aller Lüste 
noch mehr Greuel als selbst Caligula; so ließ er den Seneca hinrichten 
und seine Mutter Agrippina ermorden. Als ein gewaltiger Brand Rom 
heimgesucht hatte, den man aber wohl kaum ihm zur Last legen darf, ließ 
er die Stadt viel prächtiger wieder aufbauen; die Schuld des Brandes 
aber wälzte er auf die Christen, die sich damals bereits in den größeren 
Städten des Reichs zu kleinen Gemeinden zusammenschlossen und deren 
eifrigster Apostel, Paulus, bei der Christenverfolgung, die nun entstand, 
mit hingerichtet wurde. Immer mehr machte sich Nero verhaßt, immer 
unwürdiger zeigte er sich des Thrones: er verpraßte ungeheure Summen 
auf die unsinnigste Weife und verschmähte es sogar nicht, öffentlich als 
Zirkuskünstler und Sänger aufzutreten. Endlich empörten sich im
	        
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