Full text: Leitfaden zur Geschichte des deutschen Volkes

146 Preußens Wiedergeburt. § 202. 
auf Gewerbe und Handel und Wissenschaft beschränkt gewesen und überall 
vom Staate bevormundet worden, den Bauer hatte die Erbuntertänig¬ 
keit an die Scholle gebunden und die Last schwerer Fronden gedrückt. 
Jetzt wurde das alles anders: alle Bürger wurden im Staate 
gleichberechtigt. Der Adelige konnte sein Gut an den Bürger ver¬ 
kaufen und selbst bürgerliche Geschäfte treiben. Die Städteordnung 
gab den Gemeinden die Rechte und Pflichten der Selbstverwaltung: von 
der Bürgerschaft sollten die Stadtverordneten und aus diesen der Magistrat 
(Bürgermeister und Stadtrat) gewählt werden. Die Bauern wurden 
frei und erhielten damit das Gefühl der eigenen Verantwortlichkeit und 
den Antrieb zu selbständigem Streben. Und wie die Stände des Staates, 
so sollte auch der Staat selbst neu geordnet werden: Provinzialstände, 
ja Reichsstände sollten erstehen und damit dem Volke Gelegenheit gegeben 
werden, seine Wünsche und Gedanken zum Ausdruck und zur Geltung 
zu bringen. 
2. Das Heerwesen wurde unter Friedrich Wilhelms III. eigener 
lebhafter Beteiligung durch Gerhard Scharnhorst, eines hannoverschen 
Gutspächters Sohn, der sich durch Begabung und Charakterfestigkeit zu 
den höchsten militärischen Stellen emporschwang, in der Art umgebildet, 
daß die alten Vorzüge des preußischen Heeres erhalten blieben und doch 
der neuen Zeit Rechnung getragen wurde. War auch der Grundsatz der 
allgemeinen Wehrpflicht, den Scharnhorst vertrat, noch nicht ganz 
durchzuführen, so wurde doch das Heer jetzt national. Die Werbung 
im Auslande hörte auf, ebenso die entehrenden Strafen, wie Gassenlaufen 
und Stockprügel. Das Offizierkorps wurde erneuert und von Unwürdigen 
befreit, das Vorrecht des Adels im Grundsatz beseitigt, die Erlangung des 
Offizierranges im Frieden an Kenntnisse und Bildung, im Kriege an 
Tapferkeit und hervorragende Tüchtigkeit geknüpft. Bewaffnung und Aus¬ 
rüstung des Heeres wurden gebessert und bei der Ausbildung vor allem 
die Forderungen des Krieges berücksichtigt: an Stelle der Paradesoldaten 
der alten Zeit sollten nun Feldsoldaten erzogen werden. — Bei seinen 
Bestrebungen wurde Scharnhorst von anderen tüchtigen Offizieren wacker 
unterstützt, ant meisten von August Reithardt von Gneisenau (§ 198), 
dem Sohne eines Offiziers der Reichsarmee. Nach einer harten Zugend 
und wechselnden Schicksalen war er in das preußische Heer eingetreten und 
hat sich dann später in den Freiheitskriegen als Generalstabschef Blüchers 
unsterbliche Verdienste erworben. Gebhard Leberecht von Blücher, 
in Rostock schon im Zahre 1742 geboren, hatte im siebenjährigen Krieg 
zuerst in schwedischen Diensten gestanden, war dann, in Gefangenschaft 
geraten, in das preußische Heer übergetreten und hatte später lange Zeit 
als Landedelmann gelebt. Dann war er wieder Offizier geworden, 
hatte in den Revolutionskriegen mitgekämpft und sich 1806 rühmlich her¬ 
vorgetan (§§ 196, 197). Den herrlichsten Ruhm aber hat der jugendfrische
	        
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