Cäsar und Ariowist. Die römischen Angriffskriege. §§ 2. 3.
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schien ganz Gallien in Besitz nehmen zu wollen. Die uneinigen Kelten
waren ihm nicht gewachsen: da gebot, von ihnen gerufen, C. Julius
Cäsar, Roms größter Feldherr und Staatsmann, der Gallien selbst
unterwerfen wollte, dem Ariowist Halt. Die Verhandlungen, die die
beiden Gewaltigen erst durch Gesandte, dann persönlich miteinander
führten, hatten kein Ergebnis: voll berechtigten Stolzes wies Ariowist die
Forderungen Cäsars zurück; es gehe, meinte er, die Römer gar nichts an,
wie er als Sieger gegen die von ihm Besiegten in einem den Römern
nicht gehörigen Lande verfahre. Das Schwert mußte entscheiden, und
die römische Kriegskunst siegte: Cäsar erzwang die Schlacht, die der
germanische Herzog auf Grund der Warnungen der heiligen Frauen vor
Neumond vermeiden wollte, und schlug den Ariowist und seine Sweben
unweit des heutigen Mülhausen im Oberelsaß im Jahre 58 so, daß 58 v. Chr.
sich nur wenige von ihnen über den Rhein zurückretteten. Aber jenseits
dieses Stromes hat auch Cäsar sich nicht festzusetzen vermocht, obwohl er
ihn zweimal unter die Joche seiner Brücken zwang (55 und 53 v. Chr.).
Der Rhein ward die Grenze zwischen dem freien Deutschland und
-er römischen Provinz Gallien.
§ 3. Die römischen Angriffskriege, l. Jahrzehntelang blieb
es so. Erst Drusus, des Kaisers Augustus Stiefsohn, der vorher schon
mit seinem Bruder Tiberius die Grenze des Römerreiches bis zur Donau
vorgeschoben hatte, unternahm es wieder, auf dem rechten Rheinufer vorzu¬
dringen. Durch eine Reihe von Kastellen, die er am linken Ufer des Stromes
gründete (Mainz, Bingen, Koblenz, Köln, Xanten), schuf er sich sichere
Stützpunkte und machte dann vier Jahre hintereinander Züge in das
deutsche Gebiet, bald mit einer Flotte von der Nordsee aus, bald zu Lande 12—9 v. Chr.
vom Rhein oder Main her. Es waren namentlich die schon seßhaft gewor¬
denen Stämme, die seine Hand fühlen mußten: die Batawer am Nieder¬
rhein, die Friesen an der Nordseeküste, die Kalten im heutigen Hessen
(von der Fulda bis zur Werra), die Hermunduren um das Thüringer
Waldgebirge und bis zur Donau südwärts, und im Weser- und Harzgebiet
die Cherusker. Bis an die Weser, ja bis an die Elbe trug Drusus
die Adler der römischen Legionen. Hier aber trat ihm, wie die Sage er¬
zählt, ein Weib von übermenschlicher Größe entgegen und rief ihm warnend
zu: „Wohin, Unersättlicher, strebst du? Es ist dir nicht beschieden, all
diese Länder zu schauen. Kehre um, denn das Ende deiner Taten und
deines Lebens ist nahe!" Er kehrte um; unterwegs stürzte er mit dem
Pferde und starb, ehe er Mainz erreichte.
2. Sein Bruder Tiberius eilte hin an sein Totenbett und über¬
nahm nach ihm den Befehl im nördlichen Germanien Er verstand es,
schlau die Uneinigkeit der germanischen Stämme zu nähren, wußte bei
ihren Führern Ehrgeiz und Habsucht zu wecken und konnte sich bald
rühmen, durch seine römischen Künste bei den Deutschen mehr ausgerichtet