Siegmund, Hohenzollern u. Habsburger. Verfall d. Rittertums. §§ 72.73. 63
wichen alle Heere, oft ehe sie ihrer nur ansichtig wurden. Obwohl sich die
Hussiten nach Ziskas Tode in Parteien gespalten hatten, blieben sie doch
siegreich; ja sie drangen unter furchtbaren Verwüstungen weit über die
Grenzen Böhmens hinaus. Zuletzt aber nahm die Mehrzahl von ihnen
einen Frieden mit dem Kaiser und der Kirche an, und Siegmund hielt
noch ein Aahr vor seinem Tode, schon schwach und hinfällig, seinen Einzug
als böhmischer König in Prag.
§ 72. Siegmund, Hohenzollern und Habsburger. Für das
Reich hat Siegmund, der erst ziemlich spät (1433) die Kaiserkrone in
Rom empfing, nichts Bedeutendes geschaffen, wenn er auch wieder¬
holt bessernd einzugreifen suchte. Auch ein nochmaliger Versuch, eine
Reformation der Kirche herbeizuführen, scheiterte, denn das von dem Kaiser
begünstigte Konzil von Basel (1431—1449), das diese Aufgabe lösen
sollte, geriet bald in völliges Zerwürfnis mit dem Papste, ward von diesem
nach Italien verlegt und mußte endlich seine Tätigkeit ohne jeden Erfolg
einstellen. — Siegmunds Hauptsorge galt seinen Erbländern Ungarn und
Böhmen mit ihren Nebenländern. Und doch ist seine Regierung für
Deutschland sehr bedeutungsvoll geworden, denn unter ihm beginnt der Auf¬
schwung der beiden späteren Großmächte Österreich und Brandenburg
und ihrer Herrscherfamilien, der Habsburger und der Hohenzollern.
Den Burggrafen Friedrich VI. von Nürnberg, den Freund und Berater
seiner ersten Regierungsjahre, belehnte Siegmund auf dem Konzil von 1415.
Konstanz feierlich mit dm brandenburgifchen Marken, die er als
eigenes Erbteil aus der Ländermasse seines Vaters überkommen hatte,
und mit der auf ihnen ruhenden Kurwürde. Später freilich entzog er
dem alten Freunde feine Gunst und übertrug sie auf Herzog Albrecht
von Österreich, der von Wien aus über einen Teil der habsburgischen
Erblande regierte. Zhm gab er die Hand seiner einzigen Tochter, der
Erbin von Ungarn, Böhmen, Mähren und Schlesien. So
wurden die Habsburger die Erben des Hauses der Lützelburger, das
mit Siegmund 1437 erlosch, und gründeten von Deutchland aus, wo ihre
Macht wurzelte, ein mächtiges Ostreich, das auch Slawen und Ma¬
gyaren umfaßte.
§ 73. Der Verfall des Rittertums. Die Kämpfe gegen die
Ungläubigen hatten dem Rittertume feine eigentliche Weihe gegeben; es
verfiel, sobald die Kreuzzüge und mit ihnen die Kämpfe gegen die
Heiden aufhörten. Das Leben der Ritter hatte nun keine höheren Ziele
mehr und war ganz in die Kreise der Landschaft und ihrer engen Burgen
gebannt. Zagd und Trunk und Fehden mit den Nachbarn waren ihre
Beschäftigungen. Roheit und wüstes Treiben rissen unter ihnen ein,
und sie verarmten mehr und mehr. Dann scheuten sie, verwildert wie
sie waren, auch vor dem Raub nicht zurück. Die Ritterburgen mit ihren
Herren, die vom „Stegreif" lebten, waren lange Zeit der Schrecken des