Full text: Leitfaden für den Unterricht in der Geschichte

— 194 — 
Als der Kaiser unter völliger Mißachtung des bisherigen Rechts einen 
Erzbischos in Mailand einsetzte, drohte ein Bruch mit dem überaus 
geduldigen Papst. Joseph überlegte auch den Gedanken, die Kirche 
seines Reiches gänzlich vom Papst zu trennen, stand aber doch davon 
ab. 3) Selbst in die inneren Angelegenheiten der Kirche griff er 
ein, errichtete an der Stelle der bischöflichen Priesterseminare staatlich 
geleitete Generalseminare zur Ausbildung von Geistlichen, erließ eine 
Gottesdienstordnung, verbot Heiligenbilder, Reliquienausstellungen, 
Ablässe, beschränkte die Prozessionen, ordnete den Gebrauch der 
Landessprache im Gottesdienst an. 4) Die Akatholiken (Evangelische 
und Griechen) bekamen durch das Toleranzpatent vom 20. Oktober 
1781 Toleranz d. h. das Recht, ihre Religion frei zu bekennen, 
überall, wo sich hundert Familien zusammenfanden, Kultusgemeinden 
zu bilden, Rathäuser und Schulen zu errichten. Nur sollten die 
Kirchen keine Türme, Glocken und auffallenden Eingänge von den 
Hauptgassen aus haben. Die Anhänger aller Konfessionen erhielten 
die gleichen staatsbürgerlichen Rechte. 
c. Reformen im Staat. Auf dem Gebiet des Staates suchte 
er 1) die ständischen Sonderrechte der einzelnen Kronländer zu 
beseitigen und einen straff zentralisierten, gleichartig verwalteten 
Einheitsstaat mit gemeinsamer deutscher Amtssprache (auch für 
Ungarn-Kroatien!), ein erbliches Kaisertum Österreich zu begründen. 
Den Landständen wurden ihre Rechte, besonders das der Steuer- 
bewilligung und landtägiger Beratungen genommen. Joseph beseitigte 
2) die Vorrechte des Adels, den er der gleichen Steuerpflicht und dem 
allgemeinen Recht unterwarf. Er verfügte 3), nachdem schon Maria 
Theresia die gedrückte Lage der Bauern, die wiederholt zu Aufständen 
führte, verbessert hatte, 1781 die Aufhebung der Leibeigenfchaft. 
Die Bauern erhielten das Recht der Freizügigkeit und der Freiheit 
vom Hosdienst, der freien Heirat und freien Berufswahl, das Recht 
echtes Eigentum zu erwerben, dagegen hatte der bisherige Leibeigene 
die „Robot" d. h. die Fronden und Abgaben nach dem Robotpatente 
an den Grundherren weiter zu leisten. 4) Auf die Hebung der Land- 
Wirtschaft war Joseph, der im Grund und Boden die einzige Quelle 
alles Volkswohlstandes sah, eifrig, aber mit nicht großem Erfolg 
bedacht. Wenig erfolgreich arbeitete er an der Förderung der ^n- 
dustrie, die durch hohe Schutzzölle gehoben werden sollte. 5) Die Ehe 
wurde als bürgerliches Rechtsgeschäft behandelt. Josephs Strafgesetz- 
buch verzichtete aus die geschärfte Todesstrafe, ja abgesehen vom Fall 
des Aufruhrs auf die Todesstrafe und ersetzte sie durch andere schwere 
Strafen (Brandmarkung, lebenslängliches Anschließen an die Kette 
im Gefängnis u. a.). 6) Für die Volksschule geschah viel, für die 
höheren Schulen nicht sehr viel. Der Nützlichkeitsstandpunkt der 
Aufklärung ließ keinen Sinn für die Pflege der Wissenschaft als solcher 
aufkommen. (Der Nützlichkeitsstandpunkt des Kaisers ließ ihn sogar,
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.