Full text: Die Töchterschule (Theil 13)

finden konnte. Lottchens Fleiß brachte es dahin, daß sie nach 
drei Vierteljahren in die erste Abtheilung, und ein halbes Jahr 
darauf mit Lob in die zweite Klasse gesetzt wurde, wodurch sie 
ihre Eltern zu den besten Hoffnungen für die Zukunft berech¬ 
tigte. Auch in ihrem sittlichen Betragen, woran den Eltern 
am meisten lag, war sie untadelhaft, und empfahl sich beson¬ 
ders durch ihren bescheidenen, kindlichen Sinn, und durch ein 
anständiges Aeußere, durch Reinlichkeit und Ordnungsliebe. 
Nur eines hatte die achtsame Mutter an ihrem Lottchen 
auszusetzen, und da nahm sie sich denn vor, einmal recht ernst¬ 
lich darüber mit ihr zu sprechen. Sie hatte nämlich bemerkt, 
daß Lottchen in den Handarbeiten gar sehr zurückblieb, und nie 
rechte Lust dazu zeigte, ja es schien sogar, als wenn diese Un¬ 
lust mit den Jahren starker würde. Ein Uhrband , an dem sie 
in der Schule häkelte, wollte gar nicht fertig werden, und an 
dem Strümps, den sie zu Hause unter Aufsicht der Mutter 
strickte, mußten sehr oft die Maschen wieder aufgetrennt wer¬ 
den. Alles andere that sie von selbst aus eigenem Antrieb, 
aber zur Handarbeit ließ sie sich immer erst auffodern und er¬ 
muntern. Da stellten ihr denn die Eltern vor, daß die Be¬ 
schäftigung mit den Handarbeiten höchst nützlich und nothwen¬ 
dig für ein junges Mädchen sey, und da die Mutter in dieser 
Angelegenheit die erste Stimme hatte, so nahm sie auch das 
Wort: „Höre Lottchen, sagte sie, ich habe bisher deine Strümpfe 
von fremden Leuten stricken lassen. Das kann aber so nicht 
bleiben; unsere Wirthschaft wird größer und dein Vater muß 
sich das Brod sauer verdienen. Ich verlange also von dir, daß 
du für deine Strümpfe selbst sorgst, und uns diese Ausgabe 
ersparst. Du weißt nicht, ob du künftig nicht für andere Leute 
wirst stricken und nähen müssen, und wenn das auch nicht nö¬ 
thig wäre, so sind die Handarbeiten für ein Mädchen eine nütz¬ 
liche Beschäftigung, welche Hand und Auge übt, und uns 
nicht hindert, dabei noch einem lehrreichen Gespräche zuzuhö¬ 
ren, oder in einem nützlichen Buche zu lesen." Ich lobe, 
setzte der Vater hinzu, deinen Eifer in den wissenschaftlichen 
Gegenständen, und freue mich, daß du deinen Verstand mit 
nützlichen Kenntnissen bereicherst; aber wenn du dich in den 
weiblichen Kunstfertigkeiten vernachlässigest, so wirst du von 
deinem Geschlecht ausgelacht und verspottet werden, und Jeder-
	        
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