Heinrich IY. 157
der schlaue Mann bald so großen Einfluß, daß er in Wirklichkeit, wenn
auch nicht dem Namen nach, die römische Kirche beherrschte. Sein Streben
ging dahin, die Kirche zu bessern, sie von allem weltlichen Einflüsse
zu befreien und den Papst über alle Herrscher der Erde zu erheben.
Einst schrieb er: „Die Welt wird durch zwei Lichter gelenkt, durch die
Sonne, das größere, und durch den Mond, das kleinere. So ist die
päpstliche Macht die Sonne, die kaiserliche der Mond. Denn wie dieser
sein Licht von jener hat, so sind Kaiser und Könige und Fürsten nur
durch den Papst, weil dieser durch Gott ist. Also ist die Macht des
römischen Stuhles größer als die Macht der Throne." Als Hildebrand
selbst zum Papste gewählt wurde, nahm er den Namen Gregor VII. an.
Sofort ging er an die Ausführung seines großartigen Planes. Zu¬
nächst erneuerte er das Verbot der Simonie, das ist das Erkaufen
geistlicher Ämter um Geld. Damit die Geistlichen nicht durch die Sorge
für Weib und Kind an die Welt gefesselt würden, gab er die Ver¬
ordnung des Cölibats oder der Ehelosigkeit der Geistlichen, und da¬
mit die Bischöfe, Äbte und Geistlichen nur vom Papst abhingen, be¬
anspruchte er das Recht der Investitur, d. h. er allein wollte die
Bischöfe in ihr Amt einsetzen; nur ihm sollten sie den Eid des Ge¬
horsams leisten, obwohl sie doch auch große weltliche Besitzungen hatten.
Jeden, der sich diesen Anordnungen widersetzen werde, bedrohte er mit
dem Banne.
Gregor hatte mehrere deutsche Bischöfe und einige Räte des Königs
wegen Simonie in den Bann gethan; aber Heinrich ließ sie trotzdem
in ihren Ämtern. Deshalb drohte ihm Gregor ebenfalls mit dem Banne.
Da versammelte der König die deutschen Bischöfe und ließ durch sie die
Absetzung des Papstes aussprechen. Die lombardischen Bischöfe stimmten
diesem Beschlusse zu. Ein Schreiben des Königs an den Papst trug die
Aufschrift: „Heinrich, nicht durch Anmaßung, sondern durch Gottes
heilige Einsetzung König, an Hildebrand, nicht den Papst, sondern den
falschen Mönch." Der Schluß des Briefes lautete: „Steige herab!
Ein anderer besteige den Stuhl Petri, der die lautere Lehre des heiligen
Petrus verkündet. Steige herab! Steige herab!" Als Gregor diesen
Brief erhielt, setzte er die deutschen Bischöse ab und that sie samt dem
Könige in den Bann. Alle Unterthanen Heinrichs waren damit von
ihrem Eide des Gehorsams gelöst. Viele Fürsten fielen sofort von ihm
ab, und in Sachsen loderte der Aufstand von neuem auf. Die Fürsten
versammelten sich und erklärten Heinrich, sie würden einen neuen König
wählen, wenn er nicht binnen kurzer Frist des Bannes ledig wäre.
Verlassen von allen, lebte der König mit seiner Gemahlin und einigen
Dienern unter Aufsicht eines Fürsten zu Speier; er mußte sich der
Reichsgeschäfte enthalten und durfte die königlichen Abzeichen nicht tra¬
gen. Dazu drang das Gerücht zu ihm, der Papst fei schon auf dem
Wege nach Deutschland, um auf einem Fürstentage zu Augsburg über
ihn zu Gericht zu sitzen.