Bürger und Bauern. 175
b. Die deutsche Hansa. Wie die Handwerker sich zu Innungen
oder Zünften vereinigten, so schlossen auch die Kaufleute schon früh Ver¬
bindungen, die man Hansa nannte. Das berühmteste derartige Bündnis
war die deutsche Hansa, die zunächst zwischen den Städten Hamburg
und Lübeck geschlossen wurde, der aber bald gegen 100 Städte beitraten.
Sie wollten gemeinsam den Verkehr zu Wasser und zu Lande schützen,
neue Verkehrswege anlegen, dieselben Münzen, Maße und Gewichte
benutzen und vor allem im Auslande sich gegenseitig schützen. Die
Hansastädte zogen bald den ganzen Handel der Ostsee und größtenteils
auch den der Nordsee an sich; die Heringsfischerei war ganz in ihren
Händen. In Norwegen und Rußland, in den Niederlanden und in
Holland besaß der Bund große Warenniederlagen; er war reicher und
mächtiger: als manches Königreich; er verjagte den König von Dänemark
und demütigte den König von Frankreich und von England. Niemals hat
Deutschland seitdem eine solche Flotte wiedergesehen, wie sie die Hansa
ausrüstete. Auch deutsche Gesittung und christliche Lehre sind auf den
Hansaschiffen (Fig. 49) in unwirtbare und heidnische Länder getragen.
Handwerker und Ansiedler begleiteten den Kaufmann und halfen ihm,
in den wüsten Gegenden sichere Landungs- und Handelsplätze anzulegen,
aus denen oft Städte entstanden. So gründeten Bremer Kaufleute Riga
und nahmen dorthin einen Bischof und mehrere christliche Priester mit.
Der lebhafte Handel machte die Städte reich, und mit dem Handel
blühte zugleich auch das Handwerk auf. Die Städte waren voll
geschickter Meister, die mit einer großen Zahl tüchtiger Gesellen die
Menge der Arbeiten Zu bewältigen suchten. Aus den Nachbarländern
kamen Jünglinge und Männer, um in deutschen Werkstätten sich zu
vervollkommnen und von deutschen Meistern zu lernen, was man in
ihrer Heimat nicht zu machen verstand. In weitester Ferne verlangte
man die Arbeiten deutscher Handwerker und ließ deutsche Meister
kommen, wenn es galt, eine besonders kunstvolle und schwierige Arbeit
herzustellen.
Einzelne deutsche Städte halten um 1500 n. Chr. mehr Einwohner, als zu
Anfang dieses Jahrhunderts. Der Rat von Lübeck bewaffnete bei einem Aufstande
allein 5000 Kaufleute. Und wohl nie hat seitdem unter dem deutschen Bürgerstande
ein so allgemeiner Wohlstand „geherrscht, wie in jenen Tagen; wiederholt mußte der
Rat der Städte gegen das Überhandnehmen der Prunksucht und des Aufwandes
einschreiten. „Die Könige von Schottland", schreibt ein gelehrter Italiener, der Deutsch¬
land besuchte, „möchten wünschen, so zu wohnen, wie ein mittelmäßiger Bürger von
Nürnberg. Wo ist ein Gasthaus bei den Deutschen, wo man nicht aus Silber
trittst?" Aon Nürnberger Bürgern heißt es: „Die Geräte der Patricier bestehen
größtenteils aus Silber und Gold; doch fällt nichts mehr ins Auge, als Schwert,
Harnisch, Streitkolben und die Pferde, die sie besonders als Merkmale ihres Adels
und ihres alten Geschlechts aufstellen. Aber auch der gemeine Mann hat seine Waffen
in guter Ordnung in seinem Hause, um gleich bei der ersten Bewegung mit den¬
selben an dem ihm angewiesenen Lärmplatze zu erscheinen."
c. Bauern. Während die Städter hinter ihren festen Mauern
sicher wohnten, waren die Bewohner der Dörfer ohne Schutz. Die