Full text: Hilfsbuch für den Geschichtsunterricht in Präparandenanstalten

176 Das Miltelalter. 
Unfreien oder Knechte waren ganz rechtlos und konnten wie eine 
Ware verkauft werden; doch wurden sie gewöhnlich milde behandelt 
und erhielten nicht selten von ihrem Herrn ein Haus und ein Stück 
Land, so daß sie sich einen eigenen Hausstand gründen konnten. Auch 
die Halbfreien oder Hörigen besaßen Haus und Hof nicht als Eigen¬ 
tum, sondern mußten dafür an den Grundherrn eine jährliche Abgabe 
zahlen. Die freien Bauern dagegen brauchten von ihrem Gute nur 
den Zehnten an die Kirche und eine geringe jährliche Abgabe an den 
Landesherrn zu entrichten. Seit den Kreuzzügen wurden Acker- und 
Gartenbau mit größerer Einsicht und Sorgfalt betrieben, wodurch viele 
Bauern zu Wohlstand gelangten; sie trugen vielfach Schwert, Helm 
und Panzer, und mancher Bauernbursche erlangte sogar die Ritterwürde. 
Seit dem dreizehnten Jahrhundert aber wurde die Lage der Bauern 
schlechter. Die Fürsten hatten in Geldverlegenheiten vielfach die Ein¬ 
künfte aus ihren Dörfern den Adeligen überlasten müssen, und diese 
benutzten nun ihre Rechte zur Unterdrückung der Bauern. Infolgedessen 
wurden die Bauern fast in ganz Deutschland hörig oder leibeigen. 
Frondienste aller Art, wie Hand- und Spanndienste bei den Feldarbeiten 
und Bauten, Botendienste und weite Fuhren, Abgaben an Früchten 
und Vieh und selbst jahrelanger unbezahlter Dienst seiner Söhne und 
Töchter machten dem armen Bauern das Leben sauer. 
Bei den unablässigen Fehden während der Zeit des Faustrechts 
litt der Bauer am meisten. Wenn ein Ritter feinem Feinde hinter 
den sicheren Mauern seiner Burg nichts anhaben konnte, so überfiel 
er die Dörfer desselben, trieb den Bauern das Vieh fort, verbrannte 
ihre Häuser und verheerte Äcker und Gärten. Auch den Raubrittern 
waren die Bauern wehrlos preisgegeben. Deshalb verließen auch so 
viele ihre Heimat und suchten sich im Osten, im Wendenlande oder 
im Ordenslande Preußen, eine neue, bessere auf. An anderen Orten, 
wie in der Schweiz und in den Marschen der Nordsee, erhoben sie sich 
auch wohl gegen ihre Unterdrücker; im Innern Deutschlands aber ver¬ 
sank der Bauer immer mehr in Armut und Knechtschaft. 
3) Die Wechtspflege. 
In den ältesten Zeiten konnte jeder Freie an dem Gerichte teil¬ 
nehmen; Karl der Große aber führte die Schössen ein, d. i. eine be¬ 
stimmte Anzahl achtbarer Freie, welche beeidigt waren und unter Vorsitz 
des kaiserlichen Grafen nach Gewohnheit und Herkommen richteten. 
Wenn sie über Schuld oder Unschuld des Angeklagten nicht zu ent¬ 
scheiden vermochten, riefen sie Gott selber zum Richter an, indem sie 
ihre Zuflucht zu den Gottesurteilen nahmen. Bei der Feuerprobe 
mußte der Angeklagte seine Hand ins Feuer halten, aus demselben einen 
Ring hervorholen, glühendes Eisen in bloßen Händen tragen oder mit 
bloßen Füßen über glühende Pflugscharen gehen; blieb er unverletzt, 
so war er unschuldig. Wer zur Wasserprobe verurteilt war, wurde
	        
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