Full text: Hilfsbuch für den Geschichtsunterricht in Präparandenanstalten

56 Das Altertum. 
damit du es unterrichten und zu einem guten Könige bilden kannst." 
Aristoteles flößte dem Jüngling eine große Vorliebe für die Werke 
griechischer Dichter ein; das Lieblingsbnch Alexanders waren die Gesänge 
Homers, die er fast auswendig wußte; eine Abschrift derselben trug er 
stets bei sich und legte sie nachts unter sein Kopfkissen. Achilles hatte 
er sich zum Vorbilde erwählt. In allen ritterlichen Künsten war er 
Meister. Einst wurde seinem Vater ein prächtiges, aber sehr wildes 
Roß, Bucephalus genannt, für einen ungeheuren Preis angeboten. 
Die besten Reiter versuchten es zu besteigen, aber keinen ließ es aufsitzen. 
Da befahl Philipp dem Eigentümer, das unbrauchbare Tier fortzuführen. 
„Schade um das prächtige Pferd!" rief Alexander, „Vater, laß es mich 
noch einmal versuchen." Der König erlaubte es. Rasch ergriff Alexander 
das Pferd beim Zügel und führte es gegen die Sonne, da er bemerkt 
hatte, daß sich das Tier vor seinem Schatten fürchtete. Dann streichelte 
er es, ließ heimlich seinen Mantel fallen und — ein Sprung, da faß 
er auf dem wilden Rosse! Blitzschnell flog das Tier mit der ungewohnten 
Last davon, und Philipp und alle Umstehenden zitterten für das Leben 
des verwegenen Reiters. Als sie ihn aber bald umkehren sahen und 
bemerkten, wie er das Roß nach Belieben tummelte, hierhin und dorthin 
lenkte, da erstaunten alle, und der glückliche Vater vergoß Freudenthrä- 
uen. Er schenkte seinem Sohne das edle Roß, und Bucephalus hat 
seinen Herrn nach Afrika und Asien bis nach Indien getragen. — Wenn 
die Nachricht von einem neuen Siege seines Vaters einlief, rief der Jüng¬ 
ling aus: „Ach, mein Vater wird noch die ganze Welt erobern und mir 
nichts mehr übrig lasten." Der Sieg bei Chäronea war hauptsächlich 
das Verdienst des erst achtzehnjährigen Alexander. Nach der Schlacht 
umarmte ihn sein Vater mit den Worten: „Mein Sohn, suche dir ein 
anderes Königreich, Macedonien ist für dich zu klein!" 
Im Alter von zwanzig Jahren ward Alexander König. Die von 
seinem Vater unterjochten Völker glaubten, sich von der Gewalt des 
jugendlichen Herrschers leicht befreien zu können, und erhoben sich; die 
Thebaner bedrängten in ihrer Burg die macedonifche Besatzung. Aber 
schnell war Alexander da und eroberte und zerstörte Theben. Ein so 
fürchterliches Beispiel der Strenge verbreitete Schrecken über ganz Grie¬ 
chenland; alle beugten sich vor dem gewaltigen Siegerund wählten ihn, 
wie einst seinen Vater, in Korinth zum Anführer gegen die Perser. 
Zu Korinth lebte damals ein sonderbarer Mann, mit Namen Diogenes. Er 
trug einen laugen Bart, einen zerlumpten Mantel, einen alten Ranzen und wohnte 
in einer Tonne. Wie Alexander alles, so wollte Diogenes nichts besitzen und warf 
sogar sein Trinkgeschirr entzwei, als er einen Knaben aus der Hand trinken sah. 
Alexander begehrte den Sonderling zusehen und ging zu ihm. Diogenes saß gerade 
vor seiner Tonne und sonnte sich. Alexander grüßte ihn freundlich, unterredete sich 
lange mit ihm und fand seine Antworten sehr verständig. Zuletzt fragte er ihn: 
„Kann ich dir eine Gunst erweisen?" — „O ja," versetzte Diogenes, „geh' mir ein 
wenig aus der Sonne!" Hierüber erhoben die Begleiter Alexanders ein lautes Ge¬ 
lächter. Alexander aber wandte sich um und sagte: „Wäre ich nicht Alexander, so
	        
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