Full text: Kaisers Bilder und Lebensbeschreibungen aus der Weltgeschichte

1. Die alten Deutschen. 3 
Raumes war die Feuerstätte, von der das ganze Haus erwärmt und 
erleuchtet ward. Denn Fenster waren nicht vorhanden; nur kleine Luft¬ 
löcher befanden sich unter dem Dache, sogenannte Windaugen (vgl. engl, 
window = Fenster), welche neben Licht auch Luft durchließen. In 
dem großen Raume, der die Halle hieß, hielt sich die ganze Familie 
auf; in der Nacht schlief man auf Tierfellen, die an den Seiten ausge^ 
breitet wurden. Später wurden für Wohnen und Schlafen besondere 
Räume abgetrennt. Die Vornehmen hatten für die verschiedenen Zwecke 
wohl auch besondere Häuser, so neben dem Wohnhanse ein besonderes 
Schlafhaus, ferner besondere Häuser für Frau und Kinder, für die 
Dienerschaft, für die Gäste, für die Küche. Für die körperliche Reinigung 
war ein Badehaus vorhanden; man stellte darin eine Art Dampfbad 
dadurch her, daß man Wasser auf glühend gemachte Steine goß. Von 
dem aufsteigenden Wasserdampf hieß der Ort Stube. Dies Wort 
hängt mit Staub, hier so viel wie zerstiebendes Wasser, zusammen. 
Es bezeichnete also einen Raum, in dem zerstiebendes Wasser oder 
Wasserdampf erzeugt ward; weil nun dieser Raum zugleich warm 
war, so verallgemeinerte sich später die Bedeutung und ging auf ein 
durch Ofen geheiztes Zimmer über. Der ganze Platz, auf dem das 
Wohnhaus und die Nebengebäude standen, hieß die Hofstätte; sie war 
mit einem Schutzzaun aus Planken oder aus Flechtwerk versehen. Die 
Hofstätte war Sondereigentum der Familie, während der übrige Grund 
und Boden ursprünglich gemeinschaftlicher Besitz der Gemeinde war, die 
alljährlich den Einzelnen ihren Anteil an der Feldmark zuwies. Die 
Hofstätten lagen entweder einzeln als Einzelgehöfte (Einödhöfe im 
Alpengebiet) ober mit mehreren zusammen. 
6. Die altdeutsche Familie. Auf seinem Hofe waltete der Mann 
im Kreise der ©einigen. Der Hausvater galt als der Herr über Weib, 
Kinder, Knechte und Mägde. Er besaß Macht über sie, schirmte sie aber 
auch mit seinem Schutze. Seine Rechte und Pflichten gegen seine Haus¬ 
genossen drückte die alte Sprache mit dem Worte Munt aus, das 
in Vormund noch erhalten ist; der Mann war der Muntwalt seiner 
Familienangehörigen. Die Ehe war eine Art Kaufehe; der Mann 
entrichtete an den Vater der Braut einen Preis, den sogen. Mahlschatz, 
der meist in Vieh und Waffen bestand und durch gegenseitiges Über¬ 
einkommen festgestellt wurde. Wenn die Braut dem Manne übergeben 
wurde, war Hochzeit, d. h. eine Zeit hoher Freude. Auf der Diele des 
Hauses neben dem Herdfeuer versammelten sich die Verwandten und 
bildeten einen Kreis um das junge Paar. Der Älteste fragte dann den 
Bräutigam und die Braut, ob sie fortan als Manu und Frau leben 
wollten. War diese Frage bejaht, galt die Ehe für geschlossen. Die Frau 
gehört nach der Anschauung der Deutschen ins Haus, doch ist sie nicht 
die Dienerin des Mannes, wie bei manchen heidnischen Völkern, sondern 
seine Genossin. Die Kinder wurden frühzeitig abgehärtet, damit sie die 
Kernkraft der Alten erlangten. 
Aus der Familie erwächst durch Blutsverwandtschaft die Sippe, 
sie ist die Genossenschaft aller aus einer Familie hervorgegangenen 
Verwandten. Die Sippe besaß die eigentlich herrschende Gewalt; der
	        
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