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Die Zugvogel.
Die Störche und Kraniche ziehen im Herbste fort, weil sie
im Winter keine Eidechsen, Frösche, Bienen u. s. w. bei uns
finden würden und also verhungern müssten. Der rauhe und un¬
freundliche Winter gefällt ihnen überhaupt nicht. Ausser den
Störchen giebt es aber noch viele andere Zugvögel, z. B. die
Schwalben, die Staare, die Wachteln, die wilden Tauben. Ehe
sie fortziehen, versammeln sie sich in grossen Schaaren, die Störche
auf einer Wiese, die Schwalben in einem Dorfe, die Staare im
Schilf eines W eihers. Ist endlich ihre Zeit gekommen, so treten
sie bei günstigem Winde die Reise an, lassen den traurigen Win¬
ter hinter sich und suchen einen ewigen Frühling auf. Möchtest
du nicht auch mit ihnen fortziehen? Ja, wirst du sagen, wenn ich
meine Eltern, Verwandten und Freunde mitnehmen könnte. Du
hast recht; wir wollen bei unsern Verwandten und Freunden
bleiben. Nach dem Winter kommt ja auch der Frühling wieder.
So denken aber die Störche nicht. Da zieht Alles fort, Jung und
Alt. Selbst die zahmen Störche wollen dann nicht bleiben, auch
wenn sie Futter genug haben. Unruhig laufen sie hin und her
und schreien ihren fortziehenden Kameraden den Abschiedsgruss
nach. Aehnlich verhalten sich die Wachteln, die in einem Käfig
eingespert sind; sie laufen, wenn im October ihre freien Genossen
ihre Reise antreten, unruhig in ihrem Käfig hin und her; ja, sie
fliegen dann mit solcher Gewalt an die Decke ihres Käfigs, dass
sie oft besinnungslos niederfallen. Bricht der Tag an, So werden
sie ruhig, sind aber traurig, träge und schläfrig. Dies dauert
dreissig Tage lang. Arme Wachtel! hätte ich eine und sähe ihr
Verlangen und ihre Unruhe; ich würde sie ziehen lassen. Aber
wohin ziehen die Vögel? und wer zeigt ihnen den Weg? — Wenn
ich dich auf eine Wiese hinstelle und zu dir sagte: „Mach eine
Reise nach AfrikaU so würdest du antworten: „Ich weiss keinen
W eg !'* — Die Zugvögel machen aber diese weite Reise nach Afrika
im Herbste ohne Wegweiser, ohne Schiffe und ohne Wagen, durch
Wälder über Berge und Flüsse und Seen und zuletzt über das
weite mittelländische Meer, und dennoch ^verfehlen sie ihren Weg
nicht. Die schnelle Schwalbe legt den weiten Weg schon in 4 — 5
Wochen zurück. Schlimmer geht es den Wachteln; sie können
wohl gut laufen, aber nur schlecht fliegen. Oft müssen sie ruhen,
und wenn sie an’s Meer kommen, so fliegen sie von Insel zu In¬
sel und zwar immer auf demselben Wege. Müde fallen sie oft
dann in grossen Schaaren auf den Inseln nieder, wo sie leicht ge¬
fangen werden; andere fallen ermüdet auf Schiffe, andere werden
von Stürmen in’s Meer geworfen. Wenn aber der Frühling wie¬