— 11 —
dickicht germanische Heerhaufen hervor. Die römischen Legionen konnten
dem germanischen Heerbann in der wilden Gebirgsgegend nicht wrder-
stehen. Varus sah den Untergang vor Augen und stürzte sich, um
die Schmach nicht zu überleben, in sein Schwert. Wer von den Römern
nicht umkam, wurde gefangen genommen. Das ganze stattliche Heer
ging elend zu Grunde. Die Leichen der Erschlagenen blieben uube-
stattet auf der Walstatt liegen — den Vögeln und Wölfen zum Fraße.
Viele Kriegsgefangene wurden den Göttern als Opfer gebracht. Anderen
stach man die Augen aus, hieb ihnen die Hände ab oder riß ihnen
die Zunge aus dem Munde. Vornehme Römer fristeten als Knechte
auf germanischen Gehöften ihr Leben. In Rom aber ergriff Furcht
und Schrecken die Gemüter, und der Kaiser Augustus rief klagend aus:
„Varus, Varns, gieb mir meine Legionen wieder"!
9* Friedliche Einwirkung Umns
auf die allen Deutschen.
1. Was über die Deutschen das Schwert nicht vermocht hatte,
das errang im Laufe. der ersten zwei Jahrhunderte unserer Zeit¬
rechnung die großartige Ordnung und Einheit des römischen Kaiser¬
staates und die Überlegenheit römischer Bildung. Eine Befestigungs¬
linie von Gräben, Pallisaden, Mauern und Türmen zog sich den Rhein
und die obere Donau entlang, und innerhalb dieser Linien wohnten
altgediente römische Soldaten und Handelsleute. Dort erwuchs eine
den Deutschen bis dahin fremde Kultur. Zunächst entstand eine Reihe
Städte. Am Rhein waren es Basel, Straßburg, Speier, Worms,
Mainz, Bingen, Koblenz, Bonn, Köln und andere, an der Mosel
Trier, und im Gebiete der Donau Augsburg, Salzburg und Wien.
Von Baden-Baden bis nach Aachen hinab war fast jede warme und
heilkräftige Quelle bekannt, benutzt und meist schon überbaut. Auch
Eisenbergwerke wurden ausgebeutet. Bald wurden die sonnigen Ufer
der Mosel und des Rheins mit Reben bepflanzt. Die edlen Obstbäume,
feinen und seltenen Gartenfrüchte, einen vervollkommnetem Ackerbau
und die Einführung des Weizens verdanken wir den Römern. Die
großen römischen Handelsstraßen, die teils durch Gallien, teils über die
Alpen führten, liefen am Rhein und an der Donau aus. Aber noch
weiterhin gelangte der römische Kaufmann, mit dem auch die ersten
Juden zu uns kamen, auf noch wenig gebahnten und doch wohlbe¬
kannten Handelswegen bis zur Nord- und Ostsee. Im Innern Deutsch¬
lands handelte er Pferde und Rinder, Pelzwerk und Felle, Daunen,
Wolle, ja von den Friesen selbst Wollengewebe ein; Rauchfleisch, Honig,
Rüben und Rettige von riesiger Größe wurden nach Rom versandt.
Spargel, am Rhein gewachsen, leckere Fische aus den deutschen Flüssen
und seltene Geflügel zierten als Leckerbissen die Tafel des römischen