238 Geschichte der Griechen und Mazedoner. § 128.
§ 128. die Bevölkerung.
1. Die Pelasger. Die Griechen gehören zu dem arischen oder
indogermanischen Volksstamme, der in Mittelasien ansässig war. Über
Kleinasien waren sie von Norden her in die Halbinsel eingewandert. Die
ältesten Bewohner wurden von den Griechen späterer Zeit Pelasger,
d. h. Urahnen genannt- Sie waren Hirten und Jäger, trieben aber auch
Ackerbau. Sie hatten viel zu leiden von den Räubereien der Insel-
bewohner des Ägäischen Meeres. Der pelasgische Ackersmann wurde
dadurch notgedrungen zum Krieger. Einige machten das Waffenhandwerk
zur Hauptbeschäftigung und errangen dadurch eine bevorzugte Stellung,
die sich auch auf ihre Nachkommen vererbte. So entstanden Ritter-
geschlechter, die sich Achäer, d. h. die Edlen, Trefflichen nannten.
Dieser Name wurde allmählich ausgedehnt auf das ganze Volk und ver-
drängte den alten Namen Pelasger. Das berühmteste der Rittergeschlechter
war das der Pelopiden zu Mykeuä. Überreste einer gewaltigen Königs-
bürg, n. a. das sogenannte „Löwentor von Mykenä", ein mit zwei Löwen
geziertes Eingangstor, geben noch heute Zeugnis von der Macht der
mykenischen Fürsten. (Fig. 35.) Aus mächtigen Grabkammern hat man in
neuerer Zeit mancherlei Reste einer untergegangenen Kultur, z. B. Becher,
Waffen, Schmucksachen, ans Tageslicht gefördert ^). Die Pelopiden ha-
ben ihren Namen von Pelops, einem aus Phrygien in Kleinasien ein¬
gewanderten Sohne des Tautalus. Dieser soll auch dem südlichen
Teile Griechenlands den Namen gegeben haben.
Noch andre Einwandrer aus dem Morgenlande fanden auf grie-
chischem Boden eine dauernde Heimat. Die ersten Einflüsse höherer
Kultur erhielten die Griechen von den Phöniziern. Von diesen
empfingen sie die Buchstabenschrift, lernten die Herstellung kunstvoller
Gewebe, Gefäße und Waffen.
2. Die dorische Wandrung. Die sagenreiche Zeit der Achäer fand
ihren Abschluß durch die Wandrung der Dorer, die vom Fuße des
Olymp nach Süden zogen, sich zunächst in dem kleinen Landstriche Mittel-
griechenlands niederließen, der von ihnen den Namen Doris erhielt, von
da über den Meerbusen von Korinth nach dem Peloponnes übersetzten
und diesen eroberten. In Lakonien und Messenien entstanden so
dorische Staaten. An der Nordküste des Peloponnes sammelten sich
zahlreiche achäische Flüchtlinge, nach denen die Landschaft Achaia genannt
wurde.
Die Ausbreitung des dorischen Stammes bewirkte, daß der Name
der Landschaft Hellas, wo früher der Wohnsitz der Dorer war, zur
t) Heinrich Schliemann (+ 1890) hat sich um die Erforschung der Trümmer
von Mykenä große Verdienste erworben. Mit der Erklärung alter Bau- und Kunst-
werke beschäftigt sich die Archäologie.