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®ine Frankenstadt in der Merowingerzeit.
Rührte sich die Stadt festlich bei einem großen Tage ihres Heiligen, dann
wurden Teppiche aus den Fenstern gehängt, dann zog das Stadtvolk mit Fahnen
und den Abzeichen seiner Schulen würdig auf, neben den Germanen und In-
ländischen auch Fremde, z. B. Italiener, Syrer und Juden. Wenn ein König
begrüßt wurde, so sang jedes Volk nach antiker Weise einen langen, schön ge-
fügten Glückwunsch seiner Sprache, der vorher einstudiert wurde und dessen
Worte für wichtig und bedeutungsvoll galten.
Für den Beifall, welchen ein Germanenfürst fand, und für die Geschenke,
welche er beim Einzüge erhielt, war er dem Stadtvolke dankbar; er machte
einzelnen Gegengeschenke und erließ der Stadt Abgaben. War er in recht
guter Laune, so gab er den Städtern auch Schaufeste. Wie der Vandalenherr
in Afrika, so saß auch der Frankenkönig im Zirkus, angetan mit dem Prachtgewand
eines römischen Konsuls unter Germanen und Provinzialen als Veranstalter
der Zirkusspiele, und auch die Franken nahmen, ähnlich wie die Byzantiner,
für den grünen oder blauen Wagenlenker Partei; doch erreichte unter den
Germanen das Wagenrennen nie die Bedeutung, welche es bei den Byzantinern
behielt. — In den Amphitheatern aber wurden große Jagden veranstaltet.
Die Kämpfe mit wilden Tieren waren unter den Franken sicher ebenso blutig
als in römischer Zeit. Die Tierkämpfer und Gladiatoren wurden zwar nicht
mehr von den Königen in großer Scholas gezüchtet, aber sie bildeten immer noch
eine Genossenschaft, welche sich an Fürsten und Große hing oder abenteuernd in
der Fremde sich zu Festkämpfen vermietete; sie waren unehrliche Leute auch in den
Augen der Germanen, aber sie blieben als Raufbolde und Meuchelmörder im
Dienste verdorbener Großen, trotz dem Hohn, mit welchem das Gesetz sie behan-
delte, und trotz dem Haß der Kirche durch das ganze Mittelalter lebendig.
Die Ruhe der Stadt wurde oft gestört: Dienstleute verfeindeter Großen
fielen in den Straßen übereinander her oder stürmten die Häuser des Gegners,
schlugen ihm Frau und Kinder tot und räumten das Haus aus. Sogar der
geweihte Raum der Kirche war nicht sicher vor blutiger Gewalttat, die vor dem
Altar an Geistlichen und Laien geübt wurde, und nicht selten mußte der ent'
weihte Kirchenboden wieder geheiligt werden. Wenn zwischen zwei einflußreichen
Familien der Stadt Händel ausbrachen und Blut zu rächen war, so wurde die
ganze Bürgerschaft in die Fehde hineingezogen; dann waren die Straßen der
Stadt lange unsicher, ein Totschlag folgte auf den andern, bis sich endlich der
Graf des Königs entschloß seine Pflicht zu tun und die Bürger in Waffen
zusammenzurufen. Waren die Verbrecher geringe Leute, so wurde an ihnen
schnelle Justiz geübt; waren sie angesehene Römer, so wurden sie an den Königs-
Hof geschafft. Gegen mächtige Verbrecher freilich wagte sich die Hand der Bürger
x) s. Bd. I, S. 446, Anm.