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den Häusern entlang kann man überhaupt nicht gehen, weil sie höher liegen 
als die Straßen und deshalb Auffahrten haben. — Auch mit der Er¬ 
leuchtung sieht es im ganzen schlecht ans, da es ganze Gegenden und 
Straßen gibt, in welchen kein Strahl von Licht sichtbar ist. Selbst die 
gewöhnlichen Laternen geben oft mehr Schatten als Licht, und ihre Anzahl 
ist offenbar für eine Stadt wie Berlin zu gering. Diebstähle, und zwar 
sehr beträchtliche, sind nicht selten, ebensowenig gewaltsame Anfälle zur 
Abendzeit auf öffentlichen Plätzen. Unter den neuen Polizeieinrichtungen 
ist die kürzlich bekannt gemachte sehr löblich, nach welcher sämtliche Häuser 
Berlins numeriert werden sollen, so daß künftig der Fremde wie der Ein¬ 
heimische sich leichter zurechtfinden kann." 
(Aus: Berlin im Jahre 1786. Schilderungen der Zeitgenossen. Leipzig 1886.) 
6. Das Zeitalter der französischen Revolution und der 
Napoleonischen Gewaltherrschaft, 1789—1815. 
§ 31. Me französische Mevotution. 
1. Frankreich unter Ludwig XV. Auf die lange, unheilvolle Re¬ 
gierung Ludwigs XIV. war die fast gleich lange, noch viel schlimmere 
Ludwigs XV., seines Urenkels, gefolgt. Unter ihm verursachten viele Kriege 
große Verluste an Menschen, Pferden, Geld usw., brachten aber wenig Ehre 
und Vorteil. DazU kam die fabelhafte Verschwendung des Hofes. Die 
Schulden des Landes wuchsen zu schwindelhafter Höhe an. Die Rechts¬ 
pflege lag ganz darnieder. So stellten z. B. der König und seine Minister 
jährlich etwa 1200 Haftbefehle aus, durch die man jeden ohne Urteil 
oder Verhör auf beliebige Zeit einkerkern und unschädlich machen konnte. — 
Die Religion war allgemein mißachtet; denn ungläubige Spötter und Frei¬ 
denker hatten die christliche Glaubenslehre ins Lächerliche gezogen und den 
Unglauben durch ihre Schriften verbreitet. Die Gebildeten schämten sich, 
für Anhänger der Kirche und des Glaubens zu gelten. Dazu gab der Hof 
durch sein lockeres, sittenloses Leben dem Volke ein schlechtes Beispiel. — 
Ein besonders fühlbares Übel war die ungleiche Verteilung der Rechte und 
Pflichten im Staate; denn die adligen Gutsbesitzer waren größtenteils 
steuerfrei, konnten aber allerlei Zölle, Abgaben und Frondienste von ihren 
Bauern fordern, auch hatten ihre Söhne allein Zutritt zu den höheren 
Beamten- und Offizierstellen. Die Geistlichkeit war ebenfalls steuerfrei und 
entrichtete nur freiwillige Abgaben an den Staat. Diesen beiden Ständen, 
dem Adel und der Geistlichkeit, gehörten zwei Drittel des gesamten Grund 
und Bodens. Dagegen trug der „dritte" Stand, d. h. die Bürger und 
Bauern, allein alle Lasten des Staates und dazu noch die Abgaben an 
Adel und Kirche. König Ludwig XV. ahnte wohl, daß die Zustände ein
	        
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