10 Morgen ländische Völker
zwei über einander liegenden Gemächern führt, die — wie auch die
Grabkammer — in der Achse der Pyramide liegen. An dieser Pyramide
sollen 100 000 Menschen 30 Jahre gebaut haben. Die zu derselben
verbrauchten Steine würden aber auch ausreichen, ganz Frankreich mit
einer 2 m hohen Mauer zu umgeben! Bauwerke von so riesigem Um¬
fange sind uns ein Beweis dafür, wie unumschränkt die Herrscher Ägyptens
über ihre Unterthanen verfügten, (vgl. 2. Mos. 1 u. 5!).
Gleichsam als Wächter vor dieser Ruhestatt des Königs liegt neben
der Pyramide ein Sphinx, ein ruhender Löwenkörper mit einem
Manneskopfe. Die Länge dieses Standbildes beträgt 52 m, die Höhe
desselben 20 m; der Mund ist 2rn weit; zwischen den Dordertatzen
steht eine Kapelle. Dieser Koloß ist aus einem Stein gehauen und
meilenweit an seinen jetzigen Ort geschafft. Andere Sphinxe tragen
einen Widderkopf; alle aber sind Sinnbilder der Götter. Andere, vor
den Tempeln und Palästen aufgestellte Bauwerke waren die Obelisken,
vierseitige, oben spitz zulaufende Säulen mit quadratförmiger Grund¬
fläche von 2—8 m Seite und einer Höhe bis zu 50 m und bestanden
meistens aus einem Stein. Sie wurden in den Felsen Ober-
Ägyptens gebrochen, geglättet und dann auf Flößen oft 30 Meilen weit
hergeholt.
Am besten haben sich die Überreste der großen Tempel und Paläste
in Theben erhalten. Da, wo heute die Dörfer Karnack und Luxor
stehen, füllen die Ruinen der Stadt das ganze, fast zwei Meilen breite
Nilthal aus. In Karnack lag ein berühmter Tempel Ammons, der mit
einem am jenseitigen, östlichen Ufer liegenden Tempel und Palaste durch
eine 2 km lange Allee von 200 Widdersphinxen verbunden war. Die
Tempel und Paläste der Ägypter bestanden aus vielen Gebäuden, welche
nach und nach ohne einheitlichen Plan aneinandergereiht waren. Das
Hauptthor ist von zwei, nach oben schmäler werdenden Gebäuden —
Pylonen genannt — von über 30 m Höhe eingefaßt; vor denselben
stehen Obelisken und Bildsäulen von riesenhafter Größe. Die Gebäude
hatten äußerlich keine Zierde, nicht einmal Fensteröffnungen, enthielten
im Innern aber reichen architektonischen Schmuck. Einer der vielen Säle
im Tempel zu Karnack war gegen 100 m lang und 50 m breit; seine
Decke wurde von 134 Säulen getragen, die 3 7, m Durchmesser und
20 m Höhe hatten. Von den Bauten in Luror ragen noch etwa 200
hohe Säulen aus den Trümmern hervor; auch eine der beiden Obe¬
lisken aus rotem Granit, welche vor dem Thorgebäude standen, ist
noch unbeschädigt, der andere steht seit 1834 auf dem Eintrachtsplatze
zu Paris.') Karnack gegenüber, auf dem linken Nilufer, bei dem Dorfe
Medinet-Abu, stand der große Tempel und Palast Ramses' III. Vor
dem Thorgebäude desselben waren zwei sitzende Standbilder des
Königs Amenophis von 20 m Höhe aufgerichtet. Einer dieser beiden
Kolosse, die noch heute wie zwei steile Klippen aus der Ebene empor-
i) Mehrere andere Obelisken ließ Kaiser Augustus nach Rom bringen, und die
„Nadel der Kleopatra" befindet sich seit 1878 in London.