Der zweite punische Krieg. 219 
Hannibals Verlust ein sehr geringer war. Den Römern verkündete des Abends 
ein Prätor von der Bühne: „Wir haben eine große Schlacht verloren!" 
Stündlich erwartete man einen Angriff Hannibals auf Rom. Dieser 
aber, belehrt durch das Beispiel des Pyrrhus, sowie der eigenen Lands¬ 
leute. die oft nach glänzenden Siegen vor dem festen Syrakus hatten 
umkehren müssen, ließ Rom unangegriffen und rückte plündernd an der 
Ostküste entlang nach Apulien, wo er mit Karthago in Verbindung trat. 
Bereits hatte er sein Heer nach der Weise der Römer neu organisiert 
und dasselbe mit den trefflichen römischen Waffen versehen, die ihm 
beim Siege am trasimenischen See in die Hände gefallen waren. 
^n ihrer Not hatten die Römer einem Manne aus dem altberühmten 
Häuft der Fabier. Qu intus Fabius. die Diktatur übertragen. 
Dieser beschloß, den Krieg nur verteidigungsweise zu führen und so 
lange als möglich eine Schlacht zu vermeiden. Vorsichtig zog er mit 
seinem Heere auf den Bergen hin. indem er den Feind im Auge behielt 
und ihm fortwährend zur Seite blieb. Die römischen Soldaten, unmutig 
über dieses, wie sie sagten, „müßige Hin- und Herziehen in den Wolken." 
schalten ihren Feldherrn feige und nannten ihn spöttisch den Cunctator 
oder Zauderer. Unangegriffen wandte sich Hannibal nach Kampanien, 
der gesegnetsten Landschaft Italiens, wo er zugleich am ersten auf den 
Anschluß der unterworfenen Bevölkerung rechnen konnte. Durch Weg¬ 
weiser, die ihn entweder absichtlich irre führten, oder auch feine Aus¬ 
sprache römischer Namen nicht verstanden, kam er in eine falsche Gegend. 
Aicr verlegte ihm Fabius, der ihm nachgekommen war, den Weg; aber 
eine List rettete die Karthager. Hannibal ließ 2000 Ochsen Reisigbündel 
zwischen die Hörner binden, zündete abends die Bündel an und jagte 
die dadurch wild gewordenen Tiere hinauf gegen die Höhen. Die Römer 
glaubten, daß der Feind dort mit Windlichtern abmarschiere, und als 
sie an den scheinbar bedrohten Punkt eilten, rettete sich Hannibal mit 
seinem ganzen Heere. Als der kühne Unterbefehlshaber Minucius 
darauf einen kleinen Vorteil über die Karthager gewann, ward ihm 
gleicher Anteil an dem Oberbefehl gegeben. Fabius teilte mit ihm das 
Heer. Doll Freude eilte Minucius mit der ihm zugeteilten Heeres¬ 
abteilung hinab in das Thal und fiel in einen Hinterhalt des Hannibal, 
der schon lange auf den Unbesonnenen lauerte. Zum Glück kam Fabius 
ihm zu Hülse' und kehrte mit den Geretteten auf die sicheren Höhen zurück. 
„Dacht' ich's doch." rief Hannibal ärgerlich, „daß die Wolke auf den 
Bergen uns ein Unwetter bringen werde." Von nun an wurde der 
Schimpfname des Fabius, „Cunctator." ein Ehrenname. Ein rö¬ 
mischer Dichter singt von ihm: „Ein Mann brachte dem Staate durch 
heilsames Zaudern'Errettung." Minucius trat freiwillig wieder unter 
den Befehl des Fabius. 
d. Schlacht bei Cannä. Um die Erntezeit des Jahres 216 zog 
Hannibal nach Apulien und lagerte sich in der Ebene von Cannä. 
Die Römer rüsteten zu seiner Vernichtung ein neues gewaltiges Heer 
von 80 000 Mann zu Fuß und 6000 Reitern. Es stand unter dem 
Befehl der beiden Konsuln Terrentius Varro und Ämilius
	        
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