Kaiser Augustus. 267
ihm durch ein starkes Heer und durch das allgemeine Bedürfnis nach
Ruhe erleichtert. Um das Volk nach und nach zu gewinnen, ließ auch
er die republikanischen Ämter bestehen, vereinigte aber die wichtigsten
derselben mit seiner Person; doch ließ er sich dieselben vom Senate
übertragen und von Zeit zu Zeit bestätigen. Scheinbar war er nur
der erste Diener des Staates, in Wirklichkeit aber der Herrscher des¬
selben. Um den beim Volke verhaßten Königstitel zu vermeiden,
ließ er sich vom Senate den Namen Augustus, d. i. der Er¬
habene, beilegen; nach seinem Großoheim nannte er sich „Cäsar", aus
welchem Namen das Wort „Kaiser" entstanden ist. Der Monat
Sextilis, in welchem Oktavian im Jahre 29 nach Rom zurückgekehrt
war, erhielt den Namen Augustus. Die stärkste Stütze fand der Kaiser
in dem Heere, das nun nicht mehr zu einem bestimmten Zwecke aus¬
gehoben wurde, sondern ein stehendes war. Senat und Volks¬
versammlungen blieben bestehen, waren aber nur das gefügige
Werkzeug des Machthabers; unter Festen, Spielen und Getreidespenden
lernte das Volk seine Freiheit vergessen. Übrigens vermied Augustus
jeden äußeren Schein eines Machthabers: er verkehrte mit vornehmen
Männern wie mit seinesgleichen und war gegen jedermann freundlich
und wohlwollend; auf der Straße erschien er nur in der Tracht eines
Senators, und sein Wohnhaus auf dem palatinifchen Hügel — palatium,
wovon das Wort Palast zur Bezeichnung fürstlicher Wohnungen ab¬
stammt — unterschied sich nicht von denen anderer reicher Senatoren.
Auch durch seine Mäßigkeit im Essen und Trinken gab er den reichen
und üppigen Römern ein heilsames Vorbild.
Das Land erholte sich allmählich wieder von den Folgen der langen
Kriege; Kunst und Wissenschaft wurden wieder gepflegt. In Rom, be¬
sonders auf dem Marsfelde, erhoben sich große Prachtbauten, Tempel
und Paläste, so daß Augustus sagen konnte, er habe die Stadt, die
vorhin aus Ziegeln gebaut gewesen sei, in eine marmorne verwandelt.
Die Straßen und öffentlichen Plätze, die Paläste und Gärten der Großen
waren mit Statuen, Bildern und kostbaren Geräten aller Art geschmückt.
Dichter, wie Horaz, Vergil und Ovid, besangen den Ruhm des
Kaisers, und Livius schrieb die Geschichte des römischen Volkes bis
auf seine Zeit nieder. Sie fanden in Mäcenas einen warmen Förderer
ihrer Kunst, während Agrippa, des Kaisers siegreicher Feldherr und
später dessen Schwiegersohn, die Bauthätigkeit anregte und überwachte.
Auch zur Hebung der in den Bürgerkriegen tief gesunkenen Sittlichkeit
des römischen Volkes traf Augustus mancherlei Anordnungen. Durch
Einteilung der Ttadt Rom in 14 Quartiere und durch die Einführung
zahlreicher Polizisten stellte er eine äußere Ruhe und Ordnung auf den
Straßen her. Ferner belegte er Ehelosigkeit, Ehebruch, Wollust und
Notzucht mit Strafen unb belohnte Familienväter, erreichte dadurch aber
wenig; benn er selbst, noch mehr aber seine Frau unb Tochter gaben in
dieser Hinsicht kein gutes Beispiel, unb wie konnte ein Volk zu wahrer
Sittlichkeit zurückgebracht werben, bas längst allen Glauben an bie
Götter unb an ein höheres, unvergängliches Leben verloren hatte!
Ernste Menschen, welche die Nichtigkeit des heidnischen Götzendienstes